Irgendwie Anders (German Edition)
schuldbewusst ein und ernte einen erstaunten Blick.
„Ich wollte ihm verbieten, Mark weiter zu treffen“, gibt Markus zerknirscht zu. Stewarts Augen blitzen kurz auf und erinnern mich unglaublich an zwei andere blaue Augen.
„Was er mit Sicherheit ignoriert hat. Habe ich Recht?“, amüsiert er sich, deutet auf mein Gesicht und wendet sich Markus zu: „Warst das auch du?“ Oh er klingt sehr streng und alles andere als belustigt.
Markus senkt schuldbewusst den Kopf.
„Ja, war er“, enthebe ich ihn der Antwort. „Aber ich hatte es verdient.“ Stewart schaut überrascht auf, ich erkläre jedoch nichts weiter.
Er seufzt: „Markus, du kannst Timothy nicht vorschreiben, wie er sein Leben zu leben hat. Er ist nicht mehr der unglückliche, verängstigte Junge, den du beschützen musst. Du wirst ihn irgendwann gehen lassen müssen. Und du wirst ihm auch nicht vorschreiben können, wen er zu lieben hat. Wenn er Mark liebt, dann ist das eine Sache zwischen Mark und Timothy.“
Ich fühle eine warme Welle durch mich gleiten. Wow, warum habe ich nicht so einen Vater haben können? Kann man den klonen? Ich lächle ihn wohlwollend an. Er gefällt mir.
Markus brummelt: „Weiß ich ja. Warum meinst du, suchen wir gemeinsam nach ihm?“
Stewart lächelt. „Er taucht schon wieder auf.“
„Gibst du mir, äh, uns Bescheid, wenn er heimkommt“, fragt Markus mit einem Seitenblick auf mich.
„Sure.“ Stewart nickt und erhebt sich.
„Wenn Sie mal zur Teatime vorbeikommen möchten, würden ich und meine Frau uns sehr freuen“, wendet er sich beim Abschied an mich. „Timothy muss Sie nicht verstecken.“ Er grinst, drückt mir fest die Hand und ich bin sicher, dass ich es tun werde, sobald ich meinen Kleinen wieder habe. Aber dazu müssen wir ihn erstmal finden.
Markus umarmt seinen Vater rasch und folgt mir den Weg hinunter. Wir stehen etwas ratlos herum.
„Hast du eine Ahnung, wo Tim sich sonst rumtreiben könnte?“, frage ich vorsichtig nach. Immerhin kennt ihn Markus deutlich länger als ich.
„Nicht wirklich“, gibt dieser zu. „Er hat praktisch keine echten Freunde.“ Er zuckt mit den Schultern.
„Ich fahre wohl besser nachhause“, meine ich, obwohl ich nicht so recht Lust habe, jetzt alleine zu sein und nicht zu wissen, wo sich Tim befindet. Markus schluckt kurz und schaut mich an. „Wir können auch zu mir gehen. Ich wohne in der Nähe, das ist nicht so weit. Ich glaube es zwar nicht, aber eventuell ist er da. Meistens, wenn er Kummer hat, kommt er zu mir. Gut, dieses Mal ...“
„Gute Idee. Sehen wir nach.“ Wir setzen uns in Bewegung. Markus unterbricht irgendwann unser Schweigen: „Hat dir Tim was von sich erzählt?“ So ein bisschen lauernd klingt es.
„Eigentlich nicht“, gebe ich zu. Im Grunde haben wir vor allem gefickt. Aber das schlucke ich lieber hinunter. Ich will mir Markus' Freundschaft, unsere Not-Freundschaft, nicht gleich wieder kaputtmachen. Dieser stopft sich demonstrativ seine Hände in die Hosentaschen und ringt sichtlich nach Worten.
„Tim ist nur mein Halbruder“, eröffnet er mir. Ich blicke überrascht auf. „Seine Mum war eine Weile lang die Geliebte meines Vaters, drüben in England. Der musste früher immer mal wieder für ein oder zwei Monate rüber. Meine Mutter hat davon nichts gewusst, bis Tims Mum vor fünf Jahren gestorben ist.“ Er macht eine Pause und wir stampfen weiter die Straße entlang. Ich fühle mich kaum noch beschwipst, aber da ist noch genug Alkohol in meinem Blut, das fühle ich und jede Menge Neugierde.
„Er kam nicht gleich hierher zu uns. Tim war fast ein Jahr in einem Heim in England bis Dad überhaupt davon erfuhr. Damals war er mit Tims Mum schon jahrelang nicht mehr zusammen. Er wusste gar nicht, dass er noch einen Sohn hatte. Er ist rübergeflogen und hat ihn mitgebracht. Und so kam Struppi zu uns. Er war vierzehn, völlig verschüchtert, kannte keinen von uns, weder Sprache noch Land.“
Markus Stimme klingt komisch belegt, doch er hört nicht auf zu reden: „Oh Mann. Er war völlig verängstigt und unsicher und ... niedlich. Er hat fast zwei Monate nur in seinem Zimmer verbracht, kaum geredet, sich nicht rausgetraut und total viel geheult. Macht er ja hin und wieder immer noch. Ich habe mich irgendwann um ihn gekümmert. Er tat mir leid und hatte niemanden. Ich bin vier Jahre älter als er, eben der große Bruder. Tim ist echt weitaus mehr als ein Bruder für mich.“ Er seufzt. „Kannst du das
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