Irgendwie Top
nie gegangen. Sein erster Joint hatte ihm dahingehend an Kontroll- und noch viel mehr an Realitätsverlust gereicht. Mit einer Überdosis Alex schien es sich ähnlich zu verhalten. Nun ja, so völlig unerklärlich war Markus sein eigenes Verhalten nun doch nicht. Eigentlich war es sogar ganz offensichtlich: Er wollte schlichtweg nicht gehen!
Sie hatten den Champagner ausgetrunken und dann war dieses Schweigen entstanden, breitete sich wie zäher Nebel zwischen ihnen aus, brachte Kälte und ein zunehmendes Unwohlsein mit sich. Markus wusste, dass es Zeit war zu gehen. Wieder und wieder hatte er es sich gesagt, bis sein träger Körper ihm endlich gehorcht und den Barhocker verlassen hatte. Jede Bewegung, das Suchen, Anziehen seiner Schuhe, Aufrichten und in den Flur zu seiner Jacke gehen, alles geschah widerwillig. Denn im Grunde wollte er diese Wohnung nicht verlassen. Er wollte nicht von Alex weg.
Verrückt, völlig verrückt! Klar ist es geiler Sex gewesen. Ja, wir haben etwas Besonderes miteinander geteilt. Okay, wir haben uns wild geküsst, konnten die Hände nicht voneinander lassen. Ja! Ja! Und verdammt noch einmal, ja! Wir sind beide verdammt geile Typen, da passiert so etwas eben.
Markus vermied es konsequent, Alex anzusehen. Wenn er ihn ansah, dann … Ja, was? Keine Ahnung. Womöglich verlor er dann doch die Kontrolle, sagte oder tat seltsame, ungewohnte Sachen. Besser zusehen, dass er schnell wegkam. Alex war bestimmt auch ganz froh, wenn er weg war. Sie mussten beide Morgen arbeiten. Vernünftige Gründe gab es genug.
Markus' Herz schlug ungewohnt langsam und mühevoll, jeder Schritt fiel ihm schwer. Schlurfend näherte er sich der Tür und legte in einer beinahe zeitlupenartigen Bewegung seine Hand auf die Klinke. Er wusste, fühlte, dass Alex ihm folgte. Seine Präsenz war da. Markus spürte ihn so genau hinter sich, fühlte, wie er selbst gegen die zähen, klebrigen Bänder anging, die ihn zurückziehen wollten. Zurück zu diesem Mann.
Er würde jetzt die Klinke hinunter drücken, die Tür öffnen, Alex ein „Tschüss!“ zuwerfen und heimfahren. Er sollte sehen, dass er noch etwas Schlaf bekam. Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Viel zu tun. Es war doch ganz einfach. Die Tür öffnen. Einfach gehen. Dutzende von Malen hatte er es getan. Es war ihm nie schwergefallen. Selbst nach klasse Sex nicht. Nie! Nur heute.
„Ja … dann“, hörte er sich sagen, die Stimme ungewohnt rau, schleppend. „Bis Samstag dann.“ Irgendwo hinter ihm war Alex stehen geblieben. Das Geräusch seiner nackten Füße war verhallt.
„Viel Spaß noch bis dahin“, vernahm er seine Stimme, saugte jedes Wort auf.
„Dir auch“, brachte er hervor, spürte überdeutlich das kalte, kantige Metall des Türgriffs unter seinen Fingern. Er musste nur den Druck verstärken, dann würde sie sich nach unten bewegen, sich mit einem leisen Klick öffnen. Dann würde er diese Wohnung verlassen.
Hinter ihm spürte er Alex näher treten und erstarrte. Markus nahm seinen Atem wahr, fühlte seine Wärme und schloss halb die Augen. Er verharrte in der Tür, als er den typischen Alex-Geruch einatmete. Seine Füße gehorchten ihm nicht. Der Befehl an seine Hand, die Tür zu öffnen kam nie an, denn da lag unvermittelt Alex' Hand auf seiner Schulter. Warm, schwer und fest.
„Markus ...“ Seine Stimme wispernd kaum wahrnehmbar, ließ die feinen Härchen in seinem Nacken wie Antennen aufrichten. Alle seine Sinne richteten sich auf den Mann hinter ihm. Sanft legten sich Alex' weiche Lippen auf den Nacken, ließen seinen Körper schaudern. Nicht umdrehen! Nur ja nicht umdrehen, sonst würde er …, sonst könnte er …
Markus wirbelte herum. Sekundenbruchteile, eigentlich nur einen Wimpernschlag lang, starrte er Alex an. Maskenlos. Sehnsüchtig der Blick. Wunderschön. Dann pressten Markus' Hände Alex hart an die Wand, seine Lippen fanden den sinnlichen Mund, verschlangen ihn. Der Flur verschwand, und mit ihm die Wirklichkeit, die Zeit, jeder Gedanke an morgen, die Zukunft, an Mögliches und Unmögliches. Das Universum bestand nur aus Alex' heißer Haut, dem Geschmack seiner Lippen, dem Gefühl der anderen Zunge in seinem Mund, an seinen Lippen.
Begierig küsste Markus, verließ den Mund, küsste Kinn und Hals. Alex legte den Kopf zurück, seine Augen waren geschlossen, er überließ sich vollständig Markus' Küssen. Sekunden, Minuten, Stunden. Wer von ihnen wollte darauf schon achten?
Wann, wieso,
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