Irgendwo dazwischen (komplett)
nicht.“
Erleichtert
atme ich aus. „Ja, sie kommen.“ Lange schaue ich Marie an. „Wie geht es dir?“,
frage ich nach einer Weile vorsichtig.
„Du meinst
wegen Paul und seiner Tierärztin?“ Ich nicke. „Es ist, wie es ist“, antwortet
sie ehrlich. „Es tut mir weh, und ich werde drüber wegkommen.“
Ich liebe
ihre Art. Und ich bewundere sie dafür. „Ich bin mir sicher, dass es ihn auch
nicht kalt lässt“, sage ich und versuche dabei, aufrichtig einfühlsam zu
klingen.
„Das sage
ich mir auch...“, seufzt sie, „...aber wenn man es genau nimmt, spielt es keine
Rolle...“
Sie hat
Recht. Es spielt keine Rolle, ob er auch darunter leidet. Denn das ändert
nichts an der Situation. „Tut mir Leid“, sage ich ausweichend. „Ich hätte das
Thema nicht anschneiden sollen.“
„Ach
Blödsinn...“, sagt sie lachend. „Du kannst jedes Thema anschneiden.“ Sie greift
nach der Weinflasche. „Noch mehr Wein?“
Ich nicke.
„Mehr Wein ist gut“, sage ich. „Mehr Wein ist sogar sehr gut.“
Lili
Elias steht
am Grill und ist glücklich. Joakim hat Vincent auf dem Schoß und schneidet ihm
ein Schweinekotelett in kleine Stücke. Luis sitzt schmatzend neben mir und
genießt seinen Kartoffelsalat. Emma hält Laurien im Arm und unterhält sich mit
Marie, die ein Baguette in Stücke reißt. Und auch, wenn ich weiß, dass Marie es
nie zugeben würde, sie bedauert gerade, dass Paul nicht hier ist. Sie bedauert,
dass sie alleine ist. Sie bedauert, dass sie mit zwei Paaren feiert. Und mit
Kindern. Und sie bedauert, dass keines davon ihres ist.
Und doch
sehe ich in ihren Augen auch jenen Schimmer, der zeigt, dass sie glücklich ist,
ihren Neuanfang und ihre neue Wohnung mit uns zu feiern. Mit uns, ihren
Freunden. Ich beobachte sie, wie sie lacht und von Hamburg erzählt. Und als ich
sie betrachte, denke ich an unsere gemeinsame Nacht. Ich erinnere mich an
verstohlene Blicke und an leidenschaftliche Küsse. Ich erinnere mich an das
laute künstliche Stöhnen der Pornodarstellerin, und ich erinnere mich an ihren
Duft. Sie schaut mich an und zwinkert mir zu. Ich denke an den Tag im Café, als
sie mir von ihrer Marathon-Liebesnacht mit Paul erzählt hat. Ich sehe sie noch
unter dem grünen Sonnenschirm, und ich sehe den Ausdruck in ihrem Gesicht. Mein
Blick fällt auf Emma. Sie hält ihren kleinsten Sohn liebevoll in den Armen.
Ihre blauen Augen leuchten. Und plötzlich muss ich daran denken, wie wir mit
Gurkenscheiben auf den Augen auf dem Sofa lagen und über Clemens geredet haben.
Im Nachhinein gesehen hatte ich Recht. Clemens war der Alex unseres Lebens. Ich
schaue zu Elias. In diesem Augenblick sieht er genauso aus wie damals auf der
Terrasse seiner Eltern. Er lächelt mich an. Ich denke an unseren ersten Kuss
und daran, wie er mich die Treppen hinauf getragen hat. Und ich erinnere mich
an die Folgen. Und dann muss ich lachen. Ich schließe die Augen und denke an
heute Mittag und an die Waschmaschine. Und dann denke ich an den winzigen
Zellhaufen, der gerade langsam in mir zu einem kleinen Menschen wird.
„Kann
jemand Wein und Bier aus der Küche holen?“, fragt Marie, die gerade dabei ist,
Luis mit noch mehr Kartoffelsalat zu versorgen. Kinder stehen ihr. Auch, wenn
sie das nicht weiß. Ich stehe auf und gehe zur Tür. Dann höre ich ein Geräusch.
„Habt ihr
das auch gehört?“, frage ich in die Runde. Emma und Marie schütteln den Kopf.
„Nein,
was?“, fragt Joakim.
„Ach, keine
Ahnung...“ Ich zucke mit den Schultern. „...ich hab mich wohl getäuscht.“
Als ich in
der Küche stehe und Wein und Bier aus dem Kühlschrank hole, klingelt es. Das
war eindeutig ein Klingeln. Ich stelle die Flaschen ab, gehe zur Tür und
hebe den Hörer ab. „Ja?“, sage ich mit fester Stimme. Ich höre nur Genuschel. „ Wer ist da?“, frage ich laut. Beim zweiten Mal verstehe ich den Namen. Und dann
fällt mir der Hörer aus der Hand.
Marie
„Wo bleibt
die denn?“, sagt Emma, als sie zum dritten Mal ihr leeres Weinglas ansetzt, um
einen Schluck zu trinken.
„Keine
Ahnung...“, sage ich und zucke mit den Schultern. Ich schaue zur Tür. Und dann
sehe ich sie.
„Da bist du
ja“, sagt Elias lachend. „Hast du mir ein Bier mitgebracht?“
Sie
reagiert nicht. „Ist alles okay?“, fragt Joakim. Sie bleibt im Türrahmen
stehen. Und sie hat weder Bier noch Wein dabei.
„Wo ist der
Wein?“, fragt Emma.
„Es hat
doch geklingelt... Vorhin, als ich was gehört habe. Es hat doch
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