Irgendwo ganz anders
wird uns diesen Weg weisen!«
»Höre ich richtig?«, entfuhr es mir.
»Leider ja«, murmelte Landen, der neben mir stand.
»Allzu lange haben wir unter dem Joch des stalinistischen Prinzips der Ein-Autorschaft gelitten«, fuhr Ms Yogert fort, »und in der modernen Welt müssen wir danach trachten, die Demokratie in den Prozess des Schreibens einziehen zu lassen.«
»Ich glaube nicht, dass Autoren den Prozess des Schreibens als kreativen Totalitarismus ansehen würden«, sagte Webastow beklommen. »Aber lassen Sie uns fortfahren. Wie ich es verstanden habe, wird ein Buch durch die Technologie, die es gestattet, in die Handlung einzugreifen, dauerhaft und in jeder vorhandenen Ausgabe geändert. Wäre es nicht klüger, die Originale unangetastet zu lassen und alternative Versionen zu schreiben?«
Yogert lächelte ihn gönnerhaft an.
»Wenn wir das täten«, antwortete sie, »wäre es wohl kaum als dumm zu bezeichnen, und die Commonsense-Partei nimmt den DummheitsÜberschuss ausgesprochen ernst. Premierminister Van de Poste hat nicht nur versprochen, den gegenwärtigen Überschuss innerhalb eines Jahres auf null zurückzuführen, sondern die Dummheitsemissionen bis zum Jahre 2020 auch um siebzig Prozent zu verringern. Dieses Ziel erfordert unpopuläre Entscheidungen, und die Interessen von einigen wenigen unverbesserlichen, elitären, schwachköpfigen, auf Bücher fixierten Brillenträgern sind gegen die Bedürfnisse der Wählerschaft insgesamt abzuwägen. Was noch besser ist: Gerade weil die Idee dermaßen idiotisch ist, wird durch den Verlust eines einzigen Klassikers – sagen wir mal Jane Eyre – die Dummheit der gesamten Nation ein ganzes Jahr lang ausgeglichen. Da wir über die Möglichkeit verfügen, alle englischen Klassiker durch Leserwahl überschreiben zu lassen, können wir ungestraft wirklich blödsinnige Dinge tun. Wer weiß? Vielleicht erreichen wir eines Tages sogar ein Dummheits Defizit , und dann können wir die Beklopptheiten anderer Nationen mit enormem Profit übernehmen. Wir sehen das Vereinigte Königreich als die führende Nation im Handel mit DummheitsemissionsZertifikaten, und der Schwachsinn dieser Idee wird ganz einfach mit der Zerstörung des Jahrmarkts der Eitelkeit ausgeglichen. Genial, nicht wahr?«
Ich merkte, dass ich immer noch das Telefon in der Hand hielt. »Bowden, bist du noch dran?«
»Ich bin dran.«
»Das stinkt ja zum Himmel. Kannst du irgendwas über diese sogenannte Gesellschaft-für-das-interaktive-Buch herausfinden? Ich habe noch nie davon gehört. Ruf mich zurück.«
Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu.
»Und wenn wir alle unsere Klassiker verloren haben und der DummheitsÜberschuss ein weiteres Mal in die Höhe schnellt?«, fragte Webastow. »Was dann?«
»Nun«, sagte Ms Yogert mit einem Achselzucken, »alles zu seiner Zeit. Damit beschäftigen wir uns, wenn es so weit ist.«
»Sie werden mir sicher verzeihen«, sagte Webastow und sah sie über seine Brille hinweg an, »aber ich muss sagen, dass dieser Plan das bekloppteste Beispiel von unverfälschter Dummheit ist, die je eine Regierung in die Tat umgesetzt hat.«
»Vielen Dank«, erwiderte Ms Yogert höflich. »Ich sorge dafür, dass Ihr Kompliment an Mr Van De Poste weitergeleitet wird.«
Im Anschluss an das Interview gab es einen Bericht darüber, wie das »interaktive Buch« funktionierte. Etwas über »neue Technologien« und »benutzerdefinierte Erzählmodi«. Alles Quatsch – ich wusste genau, was da ablief. Es war Senator Jobsworth. Er hatte Baxters interaktives BuchProjekt durchgepeitscht. Schlimmer noch: Es war von langer Hand geplant. Das bezeugten die erweiterten Übertragungsleitungen in Stolz und Vorurteil und das kürzliche Upgrade aller Werke Jane Austens. Dabei war die Frage, wie sie es geschafft hatten, mein Veto außer Kraft zu setzen oder ein Büro in der wirklichen Welt zu eröffnen, fast weniger beunruhigend als der Gedanke, dass ich eigentlich in der BuchWelt sein müsste, um zu verhindern, dass das gesamte literarische Erbe der Nation auf dem Altar des Populismus geopfert wurde.
Das Telefon läutete. Es war Bowden. Unter dem läppischen und völlig unglaubwürdigen Vorwand, dass ich einen Hammer suchen müsste, verschwand ich in der Garage, damit Landen das Gespräch nicht mithörte.
»Die Gesellschaft-für-das-interaktive-Buch arbeitet von einem Büro in Westlondon aus«, berichtete Bowden, während ich auf dem Rasenmäher hockte. »Sie wurde vor einem
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