Irgendwo ganz anders
Monat als Kapitalgesellschaft eingetragen und kann eintausend simultane Anrufe entgegennehmen, obwohl das Büro selbst kaum größer ist als das von Acme.«
»Sie müssen einen Weg gefunden haben, die Anrufe en masse in die BuchWelt weiterzuleiten«, sagte ich. »Bestimmt sind tausend Mrs Danvers überglücklich, dass sie in einem Callcenter arbeiten dürfen, anstatt Figuren drangsalieren oder sich um wild gewordene Rechtschraibfähler kümmern zu müssen.«
Ich sagte Bowden, ich würde versuchen, einen Ausweg zu finden, legte auf, verließ die Garage und kehrte mit klopfendem Herzen ins Wohnzimmer zurück. Mein Vetorecht verfolgte genau dieses Ziel – ich sollte die BuchWelt vor den unglaublich törichten Entscheidungen des GattungsRats beschützen. Aber eins nach dem anderen. Ich müsste mich mit Bradshaw in Verbindung setzen und herausfinden, wie Jurisfiktion den Massenmord an den literarischen Schätzen aufnahm. Aber wie? JurisTech hatte nie Kommunikationswege zum Außenland entwickelt, da ich weit und breit die einzige Benutzerin gewesen wäre.
»Alles klar, Mum?«, fragte Tuesday.
»Ja, Schätzchen, alles in Ordnung«, sagte ich und zerzauste ihr liebevoll die Haare. »Ich muss nur eine Weile nachdenken.«
Ich ging nach oben in die umgebaute Abstellkammer, die jetzt mein Arbeitszimmer war. Je länger ich darüber nachdachte, desto schlimmer war die Lage in meinen Augen. Wenn der GattungsRat mein Veto missachtet und das interaktive Buch durchgesetzt hatte, war es keineswegs unmöglich, dass sie gleichzeitig den geplanten Angriff auf Speedy Muffler und die Scharfen Romane durchzogen. Nur Jurisfiktion als Ordnungskraft konnte eingreifen, aber sie bekam ihre Anweisungen von der TextZentrale, die ihrerseits vom GattungsRat kontrolliert wurde, so dass Jobsworth letzten Endes tun konnte, was er wollte.
Ich seufzte, beugte mich vor und löste gedankenverloren mein Haarband, dann massierte ich mit den Fingerspitzen meinen Kopf. Commander Bradshaw würde diesen interaktiven Schwachsinn nie gutheißen und aus Prinzip zurücktreten, wie er es schon hundertmal getan hatte. Und wenn ich in der BuchWelt wäre, könnte ich mein Veto erneuern. Es war ein Recht, das mir von der Großen Panjandrum gegeben war, und nicht einmal Jobsworth würde sich gegen sie auflehnen. Das war alles gut und schön, hatte aber einen Haken – ich hatte niemals an die Möglichkeit gedacht, dass ich mein ReiseBuch verlieren könnte, hatte also auch nie eine Notfallstrategie ausgearbeitet, um auf andere Weise in die BuchWelt zu gelangen.
Die einzige mir bekannte Person, die ohne Buch buchspringen konnte, war Mrs Nakajima, und sie war in Thornfield Hall im Ruhestand. Der Ex-JurisfiktionAgent Harris Tweed war auf Dauer ins Außenland verbannt worden, und ohne sein ReiseBuch saß er genauso auf dem Trockenen wie ich. Ex-Kanzler Yorrick Kaine, der inzwischen real war und derzeit seine Wunden in einer Zelle in Parkhurst leckte, war völlig nutzlos, genauso wie der einzige andere mir bekannte noch lebende Fiktionaut Cliff Hangar. Ich dachte noch einmal an Commander Bradshaw. Mit Sicherheit versuchte er, mich zu erreichen, und er war ein Mann von außergewöhnlichem Einfallsreichtum. Also, was würde ich an seiner Stelle tun, wenn ich Kontakt mit jemandem in der wirklichen Welt aufnehmen wollte? Ich überprüfte meine E-Mails, fand aber nichts, dann sah ich nach, ob ich Nachrichten auf meinem Handy hatte, was nicht der Fall war. Wie zu erwarten hatte mein Mobilnotofon kein Netz.
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, um klarer denken zu können, und ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Ich besaß eine schöne Sammlung von Büchern, die ich während meiner langen Karriere als LiteraturAgentin erworben hatte. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens stöberte ich in meinem Regal, bis ich das Gesuchte fand: eins von Commander Bradshaws Büchern. Er war natürlich nicht der Autor, aber der Held des Romans. Dreiundzwanzig Kolonialromane, geschrieben zwischen 1888 und 1922, und in allen schoss Bradshaw entweder große Tiere, fand vergessene Zivilisationen oder hielt »Johnny Foreigner« davon ab, Unfug in Britisch-Ostafrika anzustellen. Seit mehr als sechzig Jahren waren die Bücher vergriffen und seit mehr als zehn wurden sie überhaupt nicht mehr gelesen. Und da ihn keiner las, konnte er natürlich in seinen Büchern sagen, was er wollte, so dass ich es nachlesen konnte. Aber es gab da ein paar Probleme: Erstens, dreiundzwanzig Bände
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