Irische Hochzeit
Das musste sie auch nicht. Ruarc wusste bereits, dass einer der Normannen ihr ein Leid angetan hatte.
„Sosanna?“, fragte er und dämpfte die Stimme.
Eine Träne rollte über ihre Wange, und sie drehte sich von ihm weg. In die Felle gekauert, weigerte sie sich zu sprechen.
Der Tod war noch zu gut für die Normannen. Mit geballten Fäusten ging Ruarc nach draußen. Dort traf er sofort auf einen feindlichen Krieger. Er wollte Blut sehen und seine Wut austoben. Sein Schlag ließ den Kopf des Mannes nach hinten fliegen.
Überrascht zögerte der Normanne noch einen Moment, bevor er den Schlag erwiderte. Ruarc duckte sich drunter weg und landete einen Hieb in die Rippen seines Gegners.
Er war völlig außer sich. Er dachte nur noch daran, wie er den unbekannten Mann, der seiner Schwester ein Leid angetan hatte, verletzen konnte. Einer dieser Männer hier hatte seiner Schwester die Stimme und den Stolz genommen. Und dafür würden sie teuer bezahlen.
Er schmeckte Blut, erlitt schmerzhafte Wunden, konnte aber selbst etliche gute Schläge landen. Wenn er nur ein Schwert hätte, er würde sie alle abschlachten!
Ein anderer Normanne mischte sich ein. Ruarc trat dem Mann in den Bauch und wirbelte herum, um auf den nächsten einzuprügeln. Eine Rippe brach, und Ruarc stürzte sich wieder auf den ersten Mann und hieb ihm die Faust gegen das Kinn.
Dann traf etwas seinen Kopf. Er sah alles nur noch verschwommen und fiel zu Boden. Dumpf nahm er wahr, dass man ihm die Hände band und über den Boden schleifte. Sie zwangen ihn, sich mit dem Rücken an einen Pfosten zu setzen. Lederriemen schlossen sich um seine Handgelenke, während seine Clansleute ihn betrachteten.
„Du bleibst hier, bis unser König zurück ist“, ordnete Bevan Mac Egan an. „Und ich glaube nicht, dass das vor Sonnenaufgang sein wird. Du tätest gut daran, die Götter um Gnade anzuflehen. Denn Patrick wird dir keine gewähren.“
Ruarc hob den Blick und sah Bevan an. „Sie haben meiner Schwester Gewalt angetan. Sie sollten brennen für das, was sie ihr angetan haben.“
Er sah Verständnis in Bevans Augen aufblitzen. Von allen Männern verstand sein Cousin ihn am besten. Er hatte die eigene Frau durch die Eindringlinge verloren.
„Sie verdient gerächt zu werden“, sagte Ruarc leise. „Keiner von denen sollte leben.“
Bevan stand auf und betrachtete mit verschränkten Armen die Normannen. Sosanna trat aus Ruarcs Hütte. Ihre Wangen waren nass von Tränen, und sie hatte die Arme um den Körper geschlungen. In ihren Augen stand nichts als Hoffnungslosigkeit.
„Ich stimme dir zu“, sagte Bevan ruhig. „Die Normannen werden eine Menge Fragen zu beantworten haben.“
Während Patrick zur Insel ruderte, hielt Isabel sich am Rand des Bootes fest. Sie fühlte sich wie ein Kind, das die Strafe von Vater oder Mutter erwartete. Im Gesicht ihres Mannes konnte sie lesen, dass er immer noch sehr zornig war.
„Ich kann nicht glauben, dass Ihr so weit geschwommen seid“, sagte Patrick. Am Spiel seiner Armmuskeln konnte sie sehen, wie kräftig er gegen den Sog der Flut anrudern musste. Das Sonnenlicht zauberte rote Streifen auf das sich kräuselnde Wasser. Die See war ruhig geworden, ganz im Gegensatz zu Isabels Gatten. „Ihr hättet ertrinken können!“
„Hätte ich, ja.“ Es gelang ihr ein reuevolles Lächeln zu zeigen, doch auch das besänftigte seinen Groll nicht. „Ich merkte es, als ich die Hälfte der Strecke hinter mir hatte. Aber da war es zu spät, um umzukehren.“
„Macht so etwas Dummes nicht wieder“, warnte er. Seine Ruder durchschnitten das Wasser und brachten sie der Insel immer näher.
„Das nächste Mal borge ich mir ein Boot.“ Das hieß, wenn sie eins finden würde. Sie hatte keine Lust, noch einmal mit dem kalten Wasser Bekanntschaft zu machen.
„Es wird kein nächstes Mal geben.“
Isabel war langsam seiner anmaßenden Art müde. Ihm ging es nicht etwa um ihre Sicherheit, er wollte sie mit seinen Befehlen nur kontrollieren. „Seid Euch dessen nicht so sicher.“
Sein Gesicht verdüsterte sich. Er ließ die Ruder auf dem Rand ruhen. „Was wollt Ihr beweisen, Isabel?“
Sie klemmte die Hände zwischen ihre Knie. Plötzlich war sie sich seiner starken Ausstrahlung bewusst. Was für ein Zorn lag in seinen stahlgrauen Augen! In seinem Gesicht konnte sie kein Mitgefühl erkennen. Es war das Gesicht eines wilden Kriegers.
„Ich will nicht von einem Mann herumkommandiert werden, der beschlossen hat, mich ins Exil zu
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