Irische Küsse
zum Himmel.
Marie St. Leger war eine ungewöhnliche Frau gewesen, die sich über Traditionen hinweggesetzt hatte, wenn sie ihrem Gerechtigkeitssinn widersprachen. Begeistert hatte sie, als sie davon erfuhr, Honoras Geschick im Umgang mit dem Schwert aufgenommen und ihr heimlich, gegen Ranulfs Verbot, Waffen in ihre Kammer gebracht. Schwerter, Dolche … einmal sogar eine mit Nägeln gespickte Keule.
Aber mit dem Schwert konnte sie am besten umgehen, und Marie war nicht müde geworden, ihr bei ihren Übungen zuzusehen.
„Zeig mir, was du kannst“, hatte sie Honora gedrängt. Und einmal hatte sie einen Soldaten bestochen, auf dem Turnierplatz gegen ihre Schwiegertochter anzutreten.
Der arme Kerl hatte anfangs nicht gewusst, wie er sich verhalten sollte, als sie ihn zum Duell forderte. Aber als er drauf und dran war, den Kampf zu verlieren, sah er sich gezwungen, härter vorzugehen und seine Kraft einzusetzen, die ihr fehlte. Doch sie parierte jeden seiner Hiebe, bis das Schwert des Soldaten durch die Luft flog.
Marie hatte entzückt in die Hände geklatscht und dem verlegenen Mann einen Beutel Münzen in die Hand gedrückt. Dabei hatte sie ihn zum Schweigen ermahnt und anschließend weggeschickt. Als er fort war, hatte sie Honora herzlich in die Arme geschlossen .
„Ich wünschte, ich hätte zu kämpfen gelernt wie du.“ Lächelnd drückte sie ihre Hand mit ihren gichtigen Fingern, wobei eine tiefe Willenskraft aus ihren Augen leuchtete.
„Mein Sohn Ranulf ist zwar ein Narr, aber seine Gemahlin ist eine bewundernswerte Frau.“ Sie nestelte an der Goldkette mit dem Rubin an ihrem Hals. „Ich wünschte, du wärst meine leibliche Tochter. Ich würde dich liebend gern als Herrin auf Ceredys sehen.“
Honoras Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. „Aber ich hätte nicht die geringste Ahnung, wie diese großen Ländereien zu verwalten wären. Ich weiß doch nicht einmal wie …“
„Du hast das Herz auf dem rechten Fleck.“ Marie tätschelte ihr die Schulter. „Du weißt, was getan werden muss.“ Ihre blauen Augen funkelten vor Energie. „Und du wirst es schaffen. Du wirst diesen Ort von allem Bösen befreien, das auf dieser Burg sein Unwesen treibt …“ Ihre Stimme erstarb, schließlich fuhr sie fort. „Ich bete darum, der Tag möge bald kommen, an dem du alles wieder zum Rechten wendest, was hier durch Misswirtschaft und Willkür in Unordnung gebracht wurde.“
Honora hielt die zerbrochenen Teile ihres Dolches in Händen und hing ihren wehmütigen Gedanken nach. Als sie sich erhob, legte sie den Rubin wieder in den ausgehöhlten Griff und steckte die Klinge auf. Sie würde nicht zulassen, dass John den Edelstein fand.
Der Rubin war nicht gestohlen worden. Er würde ihr die notwendige Kraft geben, die sie brauchte. Sie fühlte sich zweifellos Marie verpflichtet, den Untertanen von Ceredys zu helfen.
Katherine saß mit gesenktem Kopf auf ihrem Bett. Bei dem Eintreten ihrer Schwester hob sie das Kinn und drehte stumm das Gesicht zur Seite, etwas anderes war auch nicht zu erwarten.
Honora hatte den zerbrochenen Dolch mit einer Schnur zusammengebunden und in den Falten ihres Bliauts versteckt. Sie setzte sich auf einen Hocker und wartete darauf, dass Katherine etwas sagte, die jedoch beharrlich schwieg. Schließlich versuchte Honora, entschuldigende Worte zu finden. „Es tut mir furchtbar leid. Ich dachte nicht …“
„Was?“, fiel ihr Katherine schneidend ins Wort. „Dass Ewan dich begehrt und nicht mich?“ In ihren geröteten Augen brannten ungeweinte Tränen. „Du bist meine Schwester. Ich kann nicht fassen, dass du mir so etwas antust.“
„Ich habe nie um seine Aufmerksamkeit gebeten. Ich weiß nicht einmal, wie es geschehen konnte.“
Katherine beugte sich vor, ihr Gesicht war totenbleich. „Dafür weiß ich es. Du warst stets kühner als ich. Du hast mehr Willenskraft und mehr Mut.“ Sie ballte die Fäuste. „Ich bin nicht wie du, Honora. Er aber will mich so, wie ich nie sein werde.“
Katherine war aufgesprungen und wanderte ruhelos auf und ab, ließ endlich ihrer Wut freien Lauf. „Ich gebe mir selbst die Schuld daran, dich gebeten zu haben, uns zu begleiten. Ich hätte wissen müssen, dass er dich mir vorzieht.“
Honora vermochte ihrer Schwester keine Antwort zu geben, denn Ewan begehrte sie nicht wirklich. Er hatte sie nicht gebeten, mit ihm nach Éireann zu reisen, nicht einmal, nachdem sie sich beinahe geliebt hatten. Er hatte sich von beiden Schwestern abgewandt,
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