Irische Küsse
hatte beide im Stich gelassen.
Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Angestrengt überlegte sie, was sie als Nächstes tun sollte. Die Ausweglosigkeit ihrer Situation drohte sie um den Verstand zu bringen.
Honora umfing ihre Arme, als könne sie dadurch Trost finden. „Ewan verlässt Ardennes im Morgengrauen“, sagte sie tonlos.
„Begleitest du ihn?“
„Nein. Ich werde ihn nicht wiedersehen.“
Katherine sah sie lange und verständnislos an. Endlich sagte sie: „Du bist eine Närrin. Ich an deiner Stelle würde mit ihm gehen.“
„Er hat mich nicht gefragt.“
Unausgesprochene Beschuldigungen hingen in der Luft. Honora hätte ihre Schwester zwar gern aufgeheitert, doch sie selbst war zu sehr in ihren eigenen Kümmernissen verstrickt. Am meisten quälte sie die Frage, wo sie für die nächste Zeit unterkommen konnte.
Sie ließ sich vor ihrer alten Truhe nieder, in der sich all ihre Habseligkeiten befanden, auch die Kettenrüstung, die Ewan ihr nach dem Schwertkampf mit John zurückgebracht hatte.
Honora fuhr mit den Fingern über die gehämmerten Eisenbeschläge, über das raue Holz, während sie sich den Kopf darüber zerbrach, an wen sie sich wenden könnte, um Hilfe zu erhalten. Irgendwann öffnete sie den Deckel und suchte die Sachen heraus, die sie mitzunehmen gedachte.
„Was tust du da?“, fragte Katherine nach einer Weile.
Honora blickte auf. „Vater wünscht, dass ich mit John nach Ceredys zurückkehre. Aber ich weigere mich. Ich gehe nicht mit ihm, nicht nach allem, was er mir angetan hat.“ Sie legte ein Leinenhemd beiseite und strich mit den Fingern über den Stoff. „Vielleicht reise ich in die Normandie. Dort haben wir Verwandtschaft.“
Katherine näherte sich ihr und sagte im Befehlston: „Du reist nicht in die Normandie. Geh mit Ewan.“
„Das kann ich nicht … Erst recht nicht, nachdem ich dich so schmählich verraten habe.“
„Es geht nicht mehr um mich. Er sagte, er empfindet für mich wie für eine Schwester.“ Bitterkeit schwang in Katherines Stimme. „Kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühle? Der Mann, in den ich mich verliebt habe, will nichts von mir wissen.“ Sie setzte sich und zog die Knie unter ihrem saphirblauen Gewand an, das sich in einem wallenden Faltenwurf auf dem Boden ausbreitete. Tränen der Wut liefen ihr über die Wangen. „Wenn ich ihn schon nicht haben kann, möchte ich wenigstens dafür sorgen, dass er ohne mich glücklich wird.“
Katherine wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den bleichen Wangen. „Geh mit ihm, Honora. Und komme nicht wieder hierher. Ich will dich nicht mehr sehen.“
Der Morgen graute, als sie sich von ihrem Strohsack erhob. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, fühlte sich matt und zerschlagen.
Irgendwann hatte Katherine sich aus der Kammer geschlichen und war erst kurz vor Sonnenaufgang zurückgekehrt. Honora hatte sie nicht gefragt, wo sie gewesen war, hatte nur Verständnis dafür, dass sie allein sein wollte.
Lautlos kleidete sie sich an und nahm ihr Bündel an sich. Ihre Rüstung blieb in der Truhe, die sie ebenfalls zurücklassen musste.
Als das erste Licht des neuen Tages den Horizont mit zartem Rosa und Goldtönen erhellte, legte sie sich den Umhang gegen die morgendliche Kühle um. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, die wie eine schwere Last auf ihren Schultern lag.
Sie hatte sich dazu durchgerungen, Ewan um Hilfe zu bitten.
Es fiel ihr nicht leicht, sich an ihn zu wenden, und die ganze Nacht hatte sie hin und her überlegt, ob ihre Entscheidung klug war. Er würde ihr jedoch in jedem Fall seine Unterstützung nicht verwehren, wenn sie ihn brauchte.
Einen letzten Blick warf sie auf ihre schlafende Schwester. Sie hatte nie die Absicht gehabt, Katherine zu kränken, aber keine Entschuldigung konnte etwas an der Tatsache ändern, dass sie Verrat an ihr geübt hatte. Leise murmelte sie: „Es tut mir leid, Schwesterherz.“ Unter der Bettdecke bewegte sich etwas, und sie fragte sich, ob Katherine sie gehört hatte.
Mit einem leisen Seufzer huschte sie in den schmalen Flur. Direkt vor der Tür standen zwei von Johns Soldaten.
„Guten Morgen, Lady Honora.“ Einer trat vor und versperrte ihr den Weg.
Eisige Kälte rieselte ihr über den Rücken. „Was wollt ihr?“
„Wir begleiten Euch zum Gemach von Lord Ceredys“, antwortete der andere. „Ihr werdet auf seinen Befehl auf seine Burg zurückkehren.“
Bevor sie fliehen konnte, wurde sie an beiden Armen
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