Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
immer«, beschied ihr Watson und sog erneut an seiner Pfeife. »Das hier ist kein normales Krankenhaus, Miss Carter. Manche unserer Insassen sind sehr gefährlich. Glauben Sie mir, diese verschlossenen Türen dienen auch Ihrem Schutz und dem Ihrer Freunde.«
»Auch?«, fragte Allison. »Und was beschützen sie noch?«
»Vielleicht den Rest dieser Stadt«, antwortete Watson und sog ein letztes Mal ausgiebig an seiner Pfeife, bevor er sie aus der Hand legte und Allison und mich abwechselnd fast traurig ansah. »Vor Ihren Freunden und auch vor Ihnen, sosehr ich es auch bedauere, das sagen zu müssen.«
»Was genau wollen Sie damit andeuten?«, fragte Allison. Ein neuerliches Wetterleuchten tauchte den Raum in grelles Weiß, und Allisons Schatten verdoppelte sich für eine halbe Sekunde. Ich hatte das ebenso bizarre wie Furcht einflößende Gefühl, dass diese Schatten nicht ganz identisch waren – als wären es zwei Personen, die sie warfen.
»Hatten Sie … seltsame Träume in der vergangenen Nacht?«, fragte Watson, statt ihre Frage zu beantworten. Er erklärte auch nicht genau, wem diese Frage galt. Wahrscheinlich war sie an uns beide gerichtet.
»Ist das ein Wunder, nach dem, was sie mitgemacht hat?«, fragte ich, bevor Allison antworten konnte.
»Sie beide«, korrigierte mich Watson ruhig. »Sie haben es beide mitgemacht, nicht wahr? Diese … Maschine, von der der Professor berichtet hat, hat Sie doch auch verletzt.«
»Nicht annähernd so schlimm wie Allison«, antwortete ich. »Das war nur ein Kratzer.«
»Nichtsdestoweniger wurden Sie ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen«, sagte Watson kopfschüttelnd. »Niemand von uns weiß, was diese … Maschinen wirklich sind. Ob sie überhaupt Maschinen sind oder vielleicht etwas ganz anderes. Und niemand weiß, was sie ihren Opfern wirklich antun. Aber Sie haben genau wie ich gesehen, dass sie ihnen etwas antun, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas Gutes ist.«
»Und?«, fragte Allison spröde.
»Captain Adler hat mir berichtet, dass Sie für eine Weile unter … dem … Einfluss dieser Kreatur gestanden haben«, sagte Watson. Ich fragte mich, woher Adler das wissen wollte, denn er war noch gar nicht vor Ort gewesen, als die schreckliche Allison-Kopie erschienen war, doch Carter kam mir zuvor und nickte. »Das ist richtig. Aber ich … erinnere mich an nichts. Wirres Zeug, als hätte ich Fieber gehabt.«
»Als hätten Sie Fieber gehabt«, wiederholte Watson nachdenklich. »Vielleicht kam es Ihnen ja nur so vor, weil dieses Ereignis mit nichts zu vergleichen war, was Sie zuvor schon einmal erlebt hatten?«
»Das ist … Unsinn«, sagte Allison schleppend.
»Und Sie?« Watson wandte sich so ungerührt an mich, als hätte sie gar nichts gesagt, erntete aber auch von mir nur ein stummes Kopfschütteln.
»Es war nur ein kurzer Augenblick, und ich habe Sie untersucht«, fuhr Watson fort. »Deshalb nehme ich an, dass Sie nicht im selben Ausmaß … infiziert worden sind wie die anderen, womit auch immer. Aber ich kann nicht sicher sein.« Er schüttelte mit schlecht gespieltem Bedauern den Kopf. »Solange wir nicht wissen, was mit Ihnen wirklich geschehen ist und ob es eine Gefahr darstellt – und wenn ja, wie wir ihr begegnen können –, darf niemand diese Mauern verlassen. Das sehen Sie doch hoffentlich ein?«
Das Schlimme war, dass ich das tatsächlich tat und auch ziemlich sicher war, dass es Allison ebenso erging. Watsons Worte machten mich trotzdem so zornig, dass es mich kaum noch auf meinem Stuhl hielt. »Das hätten Sie uns sagen müssen!«, stieß ich gepresst hervor.
»Woher weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann – oder Miss Carter?«, erwiderte Watson und hob zugleich besänftigend die Hand. »Natürlich nicht Ihnen persönlich, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber nach dem, was Sie erlebt haben … überzeugen Sie mich davon, dass ich wirklich Ihnen gegenübersitze und nicht einem perfekten Doppelgänger, Mister Devlin.«
Ich wollte schon wieder zornig werden, doch dann erinnerte ich mich an etwas, das Nikola gesagt hatte. Statt etwas zu sagen, griff ich über den Tisch, nahm Watsons Brieföffner und fügte mir einen harmlosen, aber heftig blutenden Schnitt am linken Daumen zu.
»Reicht Ihnen das als Antwort?«, fragte ich.
Watson betrachtete meinen blutenden Daumen mit schräg gehaltenem Kopf und sagte gar nichts, doch Allison ergriff rasch meine Hand, zog ein besticktes Taschentuch aus ihrer Bluse und wickelte es mit wenig
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