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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kreisförmige Öffnung, die etwas in den Stahl der Decke gefressen hatte. Der immer hektischer pumpende Strahl der Rühmkorff-Lampe traf auf metallisch schimmernden Widerstand, huschte über Ketten und brach sich in unvorstellbaren Winkeln auf Oberflächen und Dingen, die nicht genau zu erkennen waren, aber sehr fremdartig wirkten.
    Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich Chip loszureißen versuchte, und Watson verlor etliche gewonnene Sympathiepunkte bei mir, als er den Jungen so fest an der Schulter packte, dass er schon wieder vor Schmerz aufstöhnte. »Hör auf!«, schrie der Arzt ihn an. »Was glaubst du, was du da tust? Willst du dich selbst verkrüppeln, du dummer Junge?«
    Watsons Lampe flackerte und brannte dann viel zu lange vollkommen ruhig weiter. Aus den Augenwinkeln glaubte ich eine Woge aus nervös huschender Bewegung zu erkennen, die durch das gesamte vermeintliche Kettengeflecht lief und es eigentlich zum Klirren hätte bringen müssen, aber vollkommen lautlos blieb. Etwas bewegte sich, weit über meinem Kopf und im Zentrum des gigantischen Dampfkessels. Unmöglich zu erkennen, was, aber es schien riesig.
    »Du tust so etwas nie wieder, mein Junge, hast du das verstanden?«, schalt Watson. »Du bist schwer verletzt! Du kannst dich mit so einem Leichtsinn umbringen oder wenigstens verkrüppeln!«
    »Das ist gleich.« Zwar sprach Chip nach wie vor mit seiner eigenen Stimme, aber was er sagte, ließ mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen. »Unsere Körper sind unwichtig.«
    »Deiner vielleicht«, grummelte Mulligan.
    »Fleisch hat keine Bedeutung«, beharrte Chip. »Es ist nur ein Vehikel. Bringt mich nach Hause, wie ihr es mir versprochen habt, und dieser Leib hat seine Schuldigkeit getan.«
    Ganz egal, aus wessen Mund, wären mir diese Worte ziemlich verschroben vorgekommen, aber aus dem eines zwölfjährigen Knaben jagten sie mir einen noch kälteren Schauer über den Rücken. Chips Stimme bebte vor Schmerz, und ich war längst nicht mehr sicher, ob er ohne Watsons Hilfe überhaupt noch aus eigener Kraft hätte stehen können.
    »Sie haben es mir versprochen«, wimmerte Chip.
    »Und du hast uns versprochen, uns zu Allison zu bringen«, erinnerte ich und fügte nach einer kurzen Pause noch hinzu: »Und den anderen.«
    Watson warf mir einen merkwürdigen Blick zu, aber zu meiner Überraschung nickte er nicht nur, sondern forderte Chip mit einer Geste auf, genau das zu tun. Der Junge zeigte mit der unversehrten Hand nach oben, und nun hob auch Mulligan seine Lampe. Nicht einmal der starke Lichtstrahl zeigte uns wirkliche Details. Dort oben war etwas, das war alles, was ich erkennen konnte, und es war etwas Großes und sehr Fremdartiges.
    »Dort oben?«, fragte Mulligan überflüssigerweise. Chip nickte nur, und Mulligan fügte hörbar nervös hinzu: »Was ist da?«
    Chip schwieg auch weiterhin, doch Watson antwortete mit Grabesstimme: »Das Hive.«



31

    Die aus unzähligen winzigen Spinnentieren zusammengesetzten Kettenbündel hinaufzuklettern gehörte mit zu dem Schrecklichsten, wozu ich mich jemals hatte zwingen müssen. Es war nichts als Metall und Glas und eine Unzahl anderer Werkstoffe, wie ich sie noch niemals zuvor gesehen hatte, geschweige denn gefühlt. Das sachte Pulsieren der beiden Lichtstrahlen versprach Sicherheit, und mein Verstand bombardierte mich mit optischen und haptischen Eindrücken, die mich davon überzeugen sollten, dass es eben nur eine – wenn auch etwas sonderbare – Kette war, an der ich mich nach oben hangelte.
    Oben angekommen, schrie jeder einzelne Muskel in meinem Körper danach, wenigstens für einen Moment auszuruhen, doch dafür blieb keine Zeit. Watson war vor mir heraufgestiegen und hockte als gedrungener Schatten in der Dunkelheit neben mir und gab mir heftig gestikulierend zu verstehen, dass ich Mulligan helfen sollte, der als Letzter an dem heftig pendelnden Kettenbündel heraufkletterte und dabei nicht nur das Kunststück fertigbrachte, dies mit nur einer Hand und der Unterstützung seiner Beine zu tun, weil er mit dem anderen Arm den verletzten Jungen an sich presste, sondern der dabei auch noch deutlich schneller war als ich. Mühsam quälte ich mich auf Hände und Knie und tat mein Bestes, um ihm zu helfen.
    Vermutlich behinderte ich ihn mehr, als ihn wirklich zu unterstützen, und Chips unterdrücktem schmerzhaftem Wimmern nach zu urteilen tat ich wohl auch ihm keinen Gefallen. Der Junge beschwerte sich jedoch nicht. Ganz im Gegenteil

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