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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu hören glaubte. »Deswegen kommt jetzt meine Zauberlampe zum Zug.«
    Adler sah kurz die Lampe an, danach länger die wieder zur Statue erstarrten Männer draußen in der Halle und dann noch einmal die Rühmkorff-Lampe. Er schwieg, aber in seinem Gesicht arbeitete es.
    »Es hat nichts mit den Lampen zu tun«, fuhr Watson fort. »Sie reagieren auf das Gewitter, das ist alles.«
    »Genau wie die Neumanns, ich verstehe.« Adler machte eine Kopfbewegung hinter sich. »Und wie lange wird das anhalten?«
    »Solange das Gewitter dauert«, antwortete Watson. »Und das kann jederzeit weiterziehen.«
    »Ein Grund mehr, keine Zeit zu verlieren«, schloss Adler. »Verschwinden wir!«
    Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, doch aus unserem selbst gewählten Gefängnis zu entkommen erwies sich als weit schwieriger als erwartet. Die Metallmänner standen dicht an dicht vor dem Schott, und das gleich etliche Reihen tief. Da sie sich nicht bewegen ließen, schlängelten wir uns an ihnen vorbei oder kletterten über sie hinweg, was sich als äußerst kräftezehrend herausstellte. Besonders für Mulligan, der den verletzten Jungen tragen musste. Wir alle waren rechtschaffend erschöpft und mit einer ganzen Sammlung neuer Schrammen und Blessuren übersät, als wir endlich wieder auf festem Boden standen, statt über Schultern, Unterarme, Hände und Köpfe zu klettern und in Gesichter zu treten.
    Uns blieb jedoch keine Zeit, um uns zu erholen. Watsons Lampe flackerte und pulsierte zwar noch immer, aber ich bildete mir ein, dass es bereits nachließ.
    »Und jetzt nichts wie raus hier«, sagte Adler, während er Mulligan mit demonstrativ zur Schau gestellter Ungeduld dabei zusah, wie er über den letzten Maschinenmann hinwegstieg. »Wissen Sie den kürzesten Weg nach draußen, Doktor?«
    »Den kürzesten oder den schnellsten?«, erkundigte sich Watson.
    »Haben Sie das Gefühl, mir wäre nach Scherzen zumute, Doktor?«
    »Nein, eigentlich nie«, sagte Watson, war aber auch klug genug, praktisch sofort eine Geste in die Richtung zu machen, aus der wir vorhin gekommen waren. »Gehen Sie einfach in diese Richtung und nehmen die erste Treppe nach oben, dann müssten Sie das Gewitter schon hören können. Und beeilen Sie sich lieber.«
    »Nichts lieber als das«, versicherte Adler, drehte sich auf dem Absatz um und vollführte dieselbe Bewegung gleich darauf noch einmal in umgekehrter Richtung, um Watson fragend anzusehen. »Sie?«
    »Sie«, bestätigte Watson. »Wir haben hier noch etwas zu erledigen.« Er machte sich nicht die Mühe, sich zu Mulligan umzudrehen, aber er warf mir einen verstohlen fragenden Blick zu, den ich mit einem ebenso unauffälligen Nicken beantwortete.
    »Sie sind völlig verrückt, oder?«, fragte Adler.
    »Ein bisschen, und zuweilen, möglicherweise«, gab Watson zu. »Aber wir sind aus einem bestimmten Grund hier. Und ich werde nicht gehen, bevor wir unsere Aufgabe nicht erfüllt haben.«
    »Sie sind verrückt«, stellte Adler fest. »Aber das ist Ihr Problem, Doktor. Und ich habe auch keine Zeit für diesen Unsinn. Wenn Sie mitkommen wollen, dann tun Sie es, und wenn nicht, bleiben Sie hier. Aber glauben Sie nicht, dass ich zurückkomme, um Sie zu retten.«
    Adler wandte sich an mich und fragte: »Devlin?«
    »Allison ist hier«, sagte ich, als wäre das Antwort genug.
    Und das war es ja auch.



30

    Und weiter ging es hinab in den Bauch der Bestie. Mir war klar, wie schwülstig und pathetisch sich das anhörte, doch ganz genau das war es, was ich in diesem Moment empfand: das Gefühl, dass wir uns etwas Gigantischem und Finsterem näherten, das uns einfach zermalmen würde, ohne von unserer Anwesenheit auch nur Notiz zu nehmen. Das Gebilde, in dessen Tiefe wir uns immer weiter und weiter vorarbeiteten, war längst kein bloßes Schiff mehr, nicht mehr nur ein technisches Monstrum, das der Mensch erbaut hatte, um seiner eigenen Hybris ein Denkmal für die Ewigkeit zu setzen. Aber auch nicht etwas wirklich Lebendiges, sondern etwas dazwischen. Vielleicht darüber.
    Wir schienen die unmittelbare Gefahr hinter uns gelassen zu haben, denn uns begegnete kein einziger weiterer Maschinenmann mehr, wir sahen keine aus Ketten gewobenen Spinnennetze und traten auf keine Eisenplatten, die sich unter unseren Schritten in grauen Staub auflösten, aber meine Beklemmung nahm trotzdem mit jedem Schritt weiter zu.
    Nach einer wahren Odyssee – die vermutlich nur einige wenige Minuten gedauert hatte, zugleich aber auch kein

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