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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte ich wissen wollen.
    Mit wenigen klirrenden Schritten schloss ich zu Watson auf und überzeugte mich mit einem raschen Blick abermals davon, dass seine Lampe noch beruhigend pulsierte, bevor ich mich an Chip wandte.
    »Langsam beginne ich die Geduld zu verlieren«, herrschte ich ihn an. »Bring uns endlich zu Miss Carter und den anderen!«
    »Aber das tue ich doch!«, beteuerte der Junge. »Sie sind hier. Wir sind alle hier.«
    »Ja, genau das habe ich befürchtet«, sagte Watson. »Also müssen wir sie suchen.«
    Dass er damit recht hatte, gefiel mir überhaupt nicht. Wenn auch nur die Hälfte der unförmigen Klumpen und Verdickungen, die wir überall sahen, menschliche Gefangene enthielten, dann mussten es Hunderte sein, wenn nicht Tausende. Wir hatten gewusst, dass dem Hive schon zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen waren, doch diese Zahl erschlug mich nicht nur, sondern zerstörte in mir auch noch das letzte bisschen Hoffnung.
    Mulligan ließ seinen Lichtstrahl in eine andere Richtung wandern und entzündete damit nicht nur noch mehr rote und grüne Elmsfeuer, sondern zeigte uns auch etwas, das mich noch mehr demoralisierte: Sowohl rechts als auch links gähnten mannsgroße runde Löcher in den Kesselwänden, hinter denen sich das metallene Gespinst fortsetzte und das unter den Lichtern ebenfalls zu pulsierendem leuchtendem Leben erwachte, kaum dass der Atem seiner Zauberlampe darüber hinweggeglitten war.
    Es gab mindestens zwei weitere Kessel, in denen sich das unheimliche Geflecht bereits ausgebreitet hatte, und vielleicht sogar noch mehr. Hatten wir drei winzige schwache Menschen uns wirklich eingebildet, es mit dieser gigantischen mechanischen Kreatur aufnehmen zu können?
    Neben mir gab Mulligan einen überraschten Laut von sich, war mit zwei, drei großen Schritten bei einem grün und rot leuchtenden Kettenbündel und begann mit beiden Händen daran zu zerren. Mein Herz machte einen erschrockenen Satz, als ich das zerrissene Kleid und den schlanken Frauenkörper sah, der darunter zum Vorschein kam. Als er sich vorbeugte und mit all seiner gewaltigen Kraft an den Kettengliedern zu zerren begann, rutschte sein Hemd hoch, und ich sah, dass er einen kurzläufigen Revolver im Hosenbund trug – ein Anblick, der mir unsere Hilflosigkeit eher noch deutlicher vor Augen führte, statt mich zu beruhigen.
    Mein Schrecken explodierte regelrecht, als ich das rötlich-dunkle Lockenhaar sah, das unter den Kettensträngen zum Vorschein kam, die er wie rasend geworden in Stücke riss. Mein Herz beruhigte sich wieder, als ich genauer hinsah.
    Es war nicht Allison. Die Frau war ein gutes Stück älter als sie und von deutlich stämmigerem Wuchs, auch wenn sie jetzt allerhöchstens noch die Hälfte wiegen konnte und noch dazu schrecklich verstümmelt war. Anders als der bedauernswerte Mann, den wir zuerst gefunden hatten, war ihr Körper nicht nur ausgezehrt und aller Flüssigkeit und Kraft beraubt worden, sondern ihr fehlten auch beide Hände. Wo sie gewesen waren, sah ich zwei erstarrte Klumpen aus Tausenden winziger Metallameisen und -käfer, die sie offensichtlich aufgefressen hatten und gerade im Begriff gewesen waren, ihr schreckliches Werk an den Armen fortzusetzen, als sie der Ausbruch des Gewitters gelähmt hatte.
    »Großer Gott«, murmelte Watson. Seine Stimme war flach vor Entsetzen. »Das ist also dein Paradies, in das du unbedingt zurückwillst, Junge?«
    Chip, dem diese Worte galten, antwortete nicht, und auch mir war es nicht möglich, den Blick von dem grässlichen Bild zu lösen. Und einmal darauf aufmerksam geworden, bemerkte ich noch mehr schreckliche Einzelheiten. Durch einen barmherzigen Zufall war das Gesicht verschont geblieben, doch überall auf dem Körper und den ausgezehrten Gliedmaßen klafften tiefe Krater und Schründe, wo sich die eisernen Fressmaschinen tiefer in ihren Leib gewühlt hatten, um Fleisch, Knochen und auch alles andere zu verzehren.
    »Aber … warum?«, brachte ich irgendwie hervor. »Das … das ist barbarisch … und … und vollkommen … sinnlos!«
    »Aber es spielt doch gar keine Rolle«, antwortete Chip. »Der Körper ist nur eine Hülle. Wir sind hier, ganz gleich, was mit unseren Körpern geschieht.«
    »Wir?«, fragte Watson, und nun – endlich – gelang es mir, meinen Blick von dem verheerten Leichnam zu lösen und mich dem Jungen zuzuwenden.
    Allerdings war ich nicht sicher, ob das eine gute Entscheidung gewesen war.
    Anders als Mulligan und ich war Chip

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