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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gedanken. Ich nahm ihm das ein bisschen übel, denn wenn ich schon sterben sollte, dann doch wenigstens mit einem angemessenen Maß an Pathos, doch ich kam zugleich auch nicht umhin, ihn widerstrebend zu fragen: »Was?«
    »Wieso wir noch leben«, antwortete Mulligan.
    Bisher hatte ich hauptsächlich den Umstand genossen, dass es so war, aber vielleicht hatte er ja recht, und jetzt war der Augenblick gekommen, mich ein wenig zu wundern. Auch wenn ich Mulligans Frage noch immer ein bisschen undankbar fand. Aber er hatte recht. Das Gewitter musste sich ausgetobt haben oder das Hive hatte sich weit genug angepasst, um sich vor der lähmenden Wirkung der gewaltigen elektrischen Entladungen zu schützen, denn rings um uns herum begann es sich immer mehr und mehr zu regen. Mit einem heftigen Zusammenfahren registrierte ich, wie ein kinderhandgroßer messingfarbener Käfer auf Mulligans Schuh krabbelte und dort erstarrte, als wüsste er mit dieser Situation nicht so recht etwas anzufangen. Mulligan fuhr erschrocken zusammen und setzte dazu an, das ekelige Ding abzuschütteln, doch Watson hauchte schon beinahe entsetzt: »Nicht! Um Himmels willen, Mulligan, nicht! Nicht bewegen!«
    Ich bezweifelte, dass Mulligan den Sinn dieser Anweisung wirklich verstand, aber immerhin erstarrte er mitten in der Bewegung und schien mit angehaltenem Atem darauf zu warten, dass der Käfer in Aktion trat.
    Er brauchte einen ziemlich langen Atem. Mindestens fünfzehn oder zwanzig Sekunden vergingen, in denen rein gar nichts geschah und selbst die Zeit zum Stillstand gekommen schien. Erst dann und eindeutig zögernd wandte sich der Käfer auf seinen viel zu vielen Beinen um, sprang von Mulligans Schuh und verschwand in dem allgemeinen Gewusel. Mulligan atmete hörbar auf und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, und Watson flüsterte warnend: »Passen Sie auf, dass Sie nichts beschädigen! Sie scheinen keine Notiz von uns zu nehmen, solange wir sie nicht angreifen oder ihnen im Weg sind.«
    Genau diesen Eindruck gewann ich allmählich ebenfalls. Überall in dem gewaltigen Kesselraum erwachte das Hive mit Macht zum Leben. Überall war Bewegung, raschelte und klirrte es, und ich gewahrte längst nicht nur die kriechende und krabbelnde Bewegung der Messingtierchen, sondern auch größere und zum Teil Furcht einflößende Dinge, die ich nicht genau erkennen konnte. Geschweige denn wollte.
    Mir fiel etwas auf. »Wo ist Chip?«
    Mulligan sah sich so erschrocken um, dass er um ein Haar schon wieder auf etwas Kleines und Krabbelndes getreten wäre, doch Watson machte eine Kopfbewegung hinter mich, und als ich seinem Blick folgte, sah ich den Jungen gerade noch unter einem lebenden Flechtenvorhang verschwinden, der ihm auf schwer in Worte zu fassende Weise Platz zu machen schien.
    »Wir sollten ihm folgen«, schlug Watson vor.
    Ich sah den Sinn dieser Idee nicht wirklich ein, hatte aber auch selbst keine bessere, weshalb ich Mulligan und ihm nachging. Dabei achtete ich genau wie sie sorgsam darauf, auf nichts zu treten, was sich bewegte oder auch nur so aussah, als könnte es das. Immer gelang es mir nicht. Mehrmals knackte es unter meinen Absätzen oder huschte etwas Kleines auf klickenden Gliedmaßen unter meiner Schuhsohle davon, und mindestens einmal zerbarst etwas mit einem gläsernen Klirren, das mir schier das Blut in den Adern gerinnen ließ. Immerhin versuchte mich nichts zu verschlingen oder mir die eine oder andere Gliedmaße abzureißen.
    Wir sahen Chip wieder, als wir uns unter demselben Kettenvorhang hindurchbückten. Trotz unserer schon fast übervorsichtigen Art hatten wir deutlich aufgeholt und kamen dem Jungen immer näher, denn er bewegte sich alles andere als zielgerichtet. Immer wieder blieb er stehen, blickte unschlüssig hierhin und dorthin oder wechselte scheinbar unmotiviert die Richtung, sodass wir bald das Problem hatten, nicht zu dicht zu ihm aufzuschließen.
    »Aber wo … wo sind sie?«, murmelte Mulligan. »Ich meine, wo … wo sind all die großen Maschinen und … und Apparate?«
    Ich hätte die Frage anders formuliert, meinte aber immerhin zu begreifen, wovon er sprach. Watson kam mir jedoch auch diesmal wieder zuvor.
    »Überall«, sagte er. »Wir sind mittendrin. Sehen Sie sich um, Mulligan!«
    Das tat Mulligan, genau wie ich, und er schien auch mehr oder weniger zu demselben Schluss zu kommen wie ich. Er sah Watson vollkommen verständnislos an.
    »Wäre der Professor hier, dann könnte er es sicherlich besser

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