Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
Menschen lustig gemacht, denen es so erging. Aber das änderte sich anscheinend gerade.
Ich war mehr als erleichtert, als wir eine große Schiebetür am anderen Ende der Halle erreichten, die aufzuschieben Nikola sichtliche Anstrengung kostete. Das Tor rollte ruckelnd und auf hoffnungslos verrosteten eisernen Rädern zur Seite, begleitet von einem erbärmlichen Quietschen, das mir geradezu in den Zähnen schmerzte.
»Sagten Sie nicht, niemand hätte einen Schlüssel?«, fragte ich.
»Hier drinnen ist nicht mehr viel, was sich einzuschließen lohnt«, antwortete Nikola ein wenig kurzatmig. »Sehen Sie selbst.«
Allison hob ihre Lampe und schwenkte sie hin und her. Der blasse Schein huschte über Kisten und hölzerne Paletten, wuchtige Regale aus Holz und Metall und große Gitterkörbe, die vor allem möglichen … Krempel schier aus den Nähten zu platzen schienen. Wohin ich auch blickte, stapelten sich Kabeltrommeln, Säcke, ganze Türme von Kartonagen und tausend andere Dinge, vornehmlich aus Metall. Der Anblick erinnerte mich ein wenig an Nikolas Konstruktionsbüro , nur gleich um mehrere Größenordnungen schlimmer.
»Hier lagert ein kleines Vermögen, auch wenn man es auf den ersten Blick vielleicht nicht sieht.«
»Das stimmt«, sagte ich. »Man sieht es nicht.«
»Wenn man es genau nimmt, dann ist es schon eher ein großes Vermögen, sogar jetzt noch. Es sind ausnahmslos wertvolle Materialien. Kupfer, Silberdraht, Aluminium. Gold.«
»Gold?«
»Nicht in reiner Form, selbstverständlich.« Ich meinte Nikolas gönnerhaftes Lächeln beinahe zu hören. »Edelmetalle spielen eine wichtige Rolle bei der Elektrotechnik. Sie finden hier Kabeltrommeln, die im Grunde ins Schaufenster eines Juweliers gehören.«
»Aber nicht in einer Form, mit der ein kleiner Dieb etwas anfangen könnte«, vermutete ich.
»Welcher kleine Dieb kann schon etwas mit vergoldeter Litze anfangen«, fragte Nikola, »oder mit Aluminiumlegierungen nach dem neuen Bayer-Verfahren?« Er schüttelte bekräftigend den Kopf, und Allison tat dasselbe, um seine Worte noch zusätzlich zu bestätigen. Die Bewegung übertrug sich auf die Lampe in ihrer Hand, sodass das Licht eine wahre Explosion lautloser vermeintlicher Bewegung in den Regalen und Fächern vor uns auslöste. Huschte da etwas hastig davon, auf winzigen, blitzenden Beinchen?
»Es gibt also nur einen einzigen Schlüssel?«, vergewisserte ich mich noch einmal, bekam keine Antwort und fügte hinzu: »Aber wie haben sie das ganze Material dann hier herausgeschafft?«
»Genau das ist die Frage, die auch die Polizei brennend interessiert«, bestätigte Nikola. »Und den Inhaber dieser Manufaktur. Jacobs hat diese Räumlichkeiten zwar angemietet und für seine eigenen Zwecke genutzt, aber es tut dem Ruf einer Firma nicht unbedingt gut, wenn sich herumspricht, dass die Arbeiter lange Finger machen.«
»Seien Sie nicht albern, Nikola«, tadelte ihn Allison. »Hier ist fast eine Tonne Material verschwunden. Das waren keine Arbeiter, die sich ein kleines Zubrot verdienen wollten.« Sie verzog die Lippen zu einem übertriebenen Schmollmund. »Aber das ist wieder einmal typisch! Es müssen ja die Arbeiter gewesen sein, nicht wahr? Wahrscheinlich gleich eine ganze Verschwörung! Fällt euch sonst wirklich gar nichts ein?«
Ich wollte antworten, fing aber im letzten Moment einen warnenden Blick Nikolas auf, sodass ich es bei einem Schulterzucken beließ. Offensichtlich gab es Dinge, über die man mit Allison Carter besser nicht sprach.
»Aber es kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben«, sagte ich nach einer Weile.
Dagegen konnte Allison schwerlich etwas vorbringen, was sie aber nicht daran hinderte, mich weiter so zornig anzufunkeln, als wäre das alles hier einzig und allein meine Schuld.
»Und was ist das hier?« Ich beantwortete meine eigene Frage gleich selbst, indem ich mich in die Hocke sinken ließ und den süßlich herben Gestank registrierte, der aus einem rostigen Gitter im Boden drang.
»Der Abwasserkanal«, antwortete Allison. »Stanley hat diese Schwachstelle gleich am ersten Tag bemerkt und das Gitter verschweißen lassen. Sehen Sie selbst!«
Sie senkte die Lampe, und ich tat ihr den Gefallen, obwohl es gar nicht mehr nötig gewesen wäre. »Außerdem wäre wohl niemand so verrückt, gute tausend Pfund gestohlenes Material durch die Kanalisation fortschaffen zu wollen«, sagte sie spitz. »Nicht einmal ein Arbeiter.«
Ich stand auf und versuchte dem schwarzen Wüten in
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