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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dass es mit der Zeit besser würde und ich mir einen gewissen Ruf und damit auch einen gewissen Kundenstamm (und ein geregeltes Einkommen) aufbauen konnte. Aber das genaue Gegenteil war der Fall gewesen. Private Ermittler besaßen prinzipiell keinen guten Ruf, wofür schon meine ehemaligen Kollegen – genau wie ich früher selbst – sorgten, und zufriedene Kunden waren eher die Ausnahme. Das lag schon in der Natur der Sache. Auch wenn ich erfolgreich war, überbrachte ich doch oft genug schlechte Nachrichten.
    Dazu kam, dass sich der Niedergang Irlands und damit auch dieser Stadt nicht mehr aufhalten ließ. Die allgemeine Aufregung um den Bau des größten Passagierschiffes der Welt und der dazugehörige Presserummel täuschten die Öffentlichkeit vielleicht noch in einem gewissen Maße darüber hinweg, doch Tatsache war, dass Belfasts Blütezeit schon lange zurücklag und es mit der Stadt beständig bergab ging, fast unmerklich, aber auch unaufhaltsam. Immer mehr Firmen entließen Leute oder stellten ihre Produktion ganz ein, in den Arbeitervierteln griff die Armut samt all ihren üblichen Geschwistern um sich – Krankheit, Prostitution, Alkoholismus und Gewalt –, und die heftig in sich zerstrittenen Freiheitskämpfer machten es auch nicht unbedingt besser. Die Leute hatten kaum Geld zum Leben, geschweige denn, um einen Privatdetektiv zu engagieren.
    Was in letzter Konsequenz wiederum dazu führte, dass auch mir Geld fehlte. Noch war meine Lage nicht existenzbedrohend, aber ich war gut genug im Kopfrechnen, um zu ahnen, wann es so weit war; und ohne die unerwartete und mehr als großzügige Zahlung von Stanley Jacobs wäre dieser Augenblick sogar unangenehm nahe gewesen.
    Wie als trotzige Reaktion auf diesen Gedanken genehmigte ich mir nicht nur meinen dritten Whisky, sondern goss auch drei Finger hoch ein statt der üblichen anderthalb. Meine Vernunft wollte mir klarmachen, dass ich das besser nicht tun sollte. Ich spürte den Alkohol schon jetzt, und morgen würde ich einen klaren Kopf brauchen, schon um mich vor Allison Carter nicht endgültig zu blamieren. Aber die angenehme Schwere samt Schwindelgefühl mochten mir wenigstens dabei helfen einzuschlafen, auch wenn meine verbundene Hand pochte und sicherlich ihr Möglichstes tun würde, um genau das zu verhindern. In den vorangegangenen Nächten hatte sie damit Erfolg gehabt, und die kruden Erinnerungen, die ich an den Tag davor hatte (oder zu haben glaubte), waren auch nicht unbedingt beruhigend gewesen.
    Eine Spinne aus Eisen? Schatten, die mich verfolgten und finstere Pläne gegen mich schmiedeten, und unsichtbare Männer, die in Stücke fielen und sich andernorts wieder zusammensetzten? Das war grotesk!
    Ich stürzte den Rest des Whiskys mit einem einzigen trotzigen Zug hinunter, genoss das wohltuende Brennen in meiner Kehle ebenso wie das Gefühl der Wärme, das sich in meinem Magen ausbreitete, und überlegte gerade, mir noch einen äußerst unvernünftigen vierten Whisky zu gönnen, als es an der Tür klopfte, und gleich darauf noch einmal.
    Ich starrte einen Moment lang auf das leere Glas in meiner Hand, einen zweiten und längeren auf die geschlossene Tür und dann auf die fast leere Flasche, die auf dem Tisch neben ihr stand, und noch bevor ich mich wirklich entscheiden konnte, welchem dieser drei Dinge ich meine Aufmerksamkeit zuwenden sollte, wurde noch einmal gegen die Tür gehämmert, und ich hörte etwas, das nach meinem Namen klang; und noch etwas, das ich nicht genau verstand. Nachdem ich das leere Glas noch einmal angesetzt hatte (damit auch kein kostbarer letzter Tropfen verschwendet würde), stellte ich es behutsam ab und schlurfte zur Tür. Obwohl beunruhigt ob der späten und offensichtlich dringenden Störung schloss ich sorgfältig den Vorhang hinter mir, der den hinteren Bereich mit seinem Bett und den wenigen Möbelstücken von meinem Büro trennte. Es wurde vollends dunkel, aber das war kein Problem. Wo der Schreibtisch, die beiden Stühle und mein betagtes Aktenregal standen, wusste ich, und in dem winzigen Raum konnte man sich nun wirklich nicht verlaufen.
    Als ich die Hand auf die Klinke legte, wurde zum vierten Mal gegen die Tür gehämmert, und diesmal so heftig, dass ich fast um deren Stabilität zu fürchten begann. »Machen Sie auf, Devlin!«, erklang eine Stimme. »Wir wissen, dass Sie da sind!«
    Sie kam mir vage bekannt vor, aber ich wusste nicht, woher, nur dass ich keine angenehmen Erinnerungen damit verband. Ich

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