Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
Hälfte. Die andere bekomme ich, sobald meine Komplizen ihn freigelassen haben.«
Diesmal verlor ich das Bewusstsein, wenn auch nur so lange, wie Adler brauchte, um den Rest aus meiner Whiskyflasche in das Glas und dessen Inhalt wiederum mir ins Gesicht zu schütten.
Ich kam prustend und nach Atem ringend wieder zu mir und versuchte alles, um ein schmerzliches Wimmern zu unterdrücken. Es gelang mir, wenn auch nur mit äußerster Mühe, denn der Alkohol brannte wie Feuer in meinen Augen.
»Was genau haben Sie für Jacobs getan, Devlin?«, fragte Adler, als wäre gar nichts gewesen. »Jemanden ausspioniert? Beweise gesucht, um einen unliebsamen Konkurrenten unter Druck zu setzen oder zu gewissen Zugeständnissen zu zwingen? Kontakt zu gewissen jungen Damen zwielichtiger Reputation geknüpft?«
Da ich ahnte, dass Adler gar keine Antwort hören wollte, sondern nur den Klang seiner eigenen Stimme, sagte ich auch nichts, sondern hob nur vorsichtig die Hand, um mir übers Gesicht zu fahren. Adler fuhr erwartungsgemäß fort: »Sie müssen sich keine Sorgen machen, Devlin. Ich persönlich glaube nicht, dass Sie etwas mit Jacobs’ Verschwinden zu tun haben. Wenn Sie mich fragen: Ich glaube, dass Sie Ihre Lektion gelernt haben. Sie werden es doch nicht riskieren, noch mal für eine Weile ins Crumlin Road Gaol einzufahren, oder?«
Instinktiv, und obwohl ich mich selbst dafür hätte ohrfeigen können, schüttelte ich den Kopf.
»Das dachte ich mir. Und für eine Entführung fehlt Ihnen mit Verlaub auch das Format.« Adler seufzte. »Leider Gottes zählt nicht allein, was ich denke. Wenn eine so bedeutende Persönlichkeit wie Stanley Jacobs verschwindet, dann sorgt das für ein gewisses Aufsehen. Man könnte auf den Gedanken kommen, Sie etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, und wenn das passiert, dann bin vielleicht nicht einmal mehr ich in der Lage, Sie zu schützen.«
Er kam einen Schritt näher, beugte sich vor und lächelte dünn, und dann – vollkommen ohne Vorwarnung und ohne dass sich seine Miene auch nur im Mindesten änderte – knallte der metallene Knauf seines Stockes mit einem Geräusch wie ein eiserner Peitschenhieb auf die Schreibtischplatte.
»Jetzt reden Sie endlich, verdammt! Was wollte Jacobs von Ihnen?«
Ich wusste, wann ich verloren hatte. Adlers nächster Schlag würde nicht nur die Schreibtischplatte treffen. Ich hatte schon eine Warnung mehr von ihm bekommen, als ich eigentlich erwartet hatte, und ich schuldete Jacobs nichts – schon gar keine zerbrochenen Knochen oder ausgeschlagene Zähne.
»Es geht um Diebstähle«, sagte ich. »Auf seinen Baustellen ist Material abhandengekommen. In erheblichem Umfang.«
Adler überlegte. »Waren Sie deshalb heute Abend bei Stockwell & Sons?«
»Dort ist wohl das meiste verschwunden«, bestätigte ich, und Adler fügte mit einem grimmigen Lächeln hinzu: »Zusammen mit Jacobs selbst.«
Woher wusste er, wo ich gewesen war? Hatte er mich beobachten lassen? Gehörte die unheimliche Gestalt aus der Straßenbahn gar zu ihm?
»Und was haben Sie mit dieser jungen Frau zu tun, dieser Miss Carter?«, fragte Adler, als hätte ich meinen letzten Gedanken laut ausgesprochen.
»Nichts«, erwiderte ich. »Sie hat mir den Weg gezeigt, das ist alles.«
»Und woher kennen Sie sie?«
»Nirgendwoher«, antwortete ich. Ich hörte selbst, wie das klang. »Ich bin mit ihr ins Gespräch gekommen. Sie hat wohl gehört, dass ich nach Jacobs suche, und mich angesprochen.«
»Einfach so?« Adler machte ein verächtliches Geräusch. »Weil Sie so ein gut aussehender junger Gigolo sind? Sind Sie so naiv, oder tun Sie nur so?«
»Sie sucht genauso nach ihm wie ich«, erwiderte ich. »Dass Jacobs verschwunden ist, habe ich überhaupt erst von Allison erfahren.«
»Allison?« Adler wurde hellhörig, und ich hätte mich am liebsten selbst geohrfeigt. »So vertraut sind Sie also schon mit dieser jungen Dame?«
»Sie hat mich um Hilfe gebeten«, sagte ich.
»Die Sie ihr natürlich sofort gewährt haben, als der Gentleman, der Sie nun einmal sind«, höhnte Adler. »Sie sind wirklich naiv … jedenfalls nehme ich das zu Ihren Gunsten im Moment noch an. Und wenn Sie das nächste Mal an einer Kirche vorbeikommen, dann sollten Sie hineingehen und eine Kerze dafür anzünden, dass das auch so bleibt.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie von mir wollen«, behauptete ich stur. Das war nicht besonders klug, wie mir sehr wohl bewusst war, aber ich war verwirrt, ich hatte Angst
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