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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mir selbst bisher mit Erfolg eingeredet, die Angst nach meinem Erlebnis in der Hölle abgeschüttelt zu haben, aber das stimmte nicht. Sie war nach wie vor da und hatte sich nur versteckt, um wie eine Spinne am Rande ihres Netzes darauf zu lauern, im passenden Augenblick über mich herzufallen.
    »Was um alles in der Welt tun Sie da, Nikola?«, murmelte Allison.
    »Ich will wissen, wo sie hergekommen sind!«, antwortete Nikola, ließ das verstümmelte Ding aber keinen Sekundenbruchteil aus den Augen und folgte ihm weiter in diesem grotesk vorgebeugten Watschelgang. »Quinn! Hinter Ihnen steht eine Lampe! Schnell!«
    Ich drehte mich zwar gehorsam um, fühlte mich zunächst aber einfach nur hilflos, denn in dem Regal hinter mir stand so ziemlich alles, was ich mir vorstellen konnte – nebst einer ganzen Menge Dinge, die ich mir bisher nicht hatte vorstellen können –, nur keine Lampe. Aus den Augenwinkeln heraus registrierte ich jedoch Nikolas ungeduldiges Wedeln und griff mehr oder weniger wahllos nach dem Ersten, das mich entfernt an eine Lampe erinnerte: einen blitzenden Zylinder aus Messing und Glas von überraschend hohem Gewicht.
    Ohne hinzusehen, riss mir Nikola den Zylinder aus der Hand und tat irgendetwas damit, das ich nicht erkennen konnte – es hatte nichts mit Streichhölzern zu tun –, und der Zylinder stanzte eine unscharfe Fläche seltsam bläulicher Helligkeit aus dem Boden, die dem davonhumpelnden Spinnen-Ding folgte. Genau wie er selbst.
    »Bleiben Sie hier«, sagte er aufgeregt, »aber fassen Sie nichts an! Vor allem den Hebel nicht!«
    Ich hätte das so oder so nicht getan – ich war doch nicht verrückt! –, aber ich hätte es auch gar nicht gekonnt, denn genau wie Allison dachte ich nicht daran, Nikolas Aufforderung Folge zu leisten und einfach zurückzubleiben und abzuwarten, als wollte Nikola nur einmal kurz hinausgehen, um eine Nebensächlichkeit zu erledigen. Nebeneinander und so dicht, dass wir ihn gerade eben so noch nicht anrempelten, liefen wir Nikola hinterher, der wiederum gebückt der verkrüppelten Spinne folgte, die sich mühsam mit ihren drei verbliebenen Beinchen weiterschleppte – mit der Beharrlichkeit einer Maschine. Der Gedanke erschreckte mich, sodass ich ihn hastig abschüttelte und in den hintersten Winkel meines Kopfes verbannte. Gleich neben die verkrüppelte Spinne.
    Wir erreichten die Wand des sogenannten Labors, und das Tier versuchte erwartungsgemäß unter eines der Regale zu kriechen, um dem unbarmherzigen Licht zu entgehen, das ihm ebenso unbarmherzig folgte, doch Nikola vertrat ihm den Weg und stieß es ein paarmal sehr behutsam mit der Schuhspitze an, bis es seinen Kurs änderte.
    »Was soll das, Nikola?«, fragte Allison. »Dieses Geschöpf ist widerlich und wahrscheinlich sogar gefährlich, aber das ist noch lange kein Grund für unnötige Grausamkeit! Seit wann sind Sie ein Tierquäler?«
    »Das ist kein Tier«, antwortete Nikola.
    »Kein Tier?« Allison blinzelte. »Was soll es denn sonst sein?«
    »Das weiß ich noch nicht«, antwortete Nikola. Der Lichtkreis seiner sonderbaren Lampe hielt die sich im Krabbengang weiterschleppende Spinne unerbittlich fest, und er folgte beiden. »Wenn es nicht so vollkommen unmöglich wäre, dann würde ich fast sagen, es ist eine …«
    »Ja?«, fragte ich, als Nikola nicht weitersprach.
    »Nichts«, antwortete er. »Wie gesagt, es ist vollkommen unmöglich.« Er lachte unecht. »Es war nur eine Idee. Manchmal verrenne sogar ich mich in verrückte Gedanken. So ist das eben, wenn man zu schlau ist. In gewissen Lebenssituationen steht einem die eigene Genialität im Wege.«
    Allison und ich tauschten einen verblüfften Blick, und wir beide lächelten auch flüchtig, aber zumindest ich war nicht wirklich amüsiert. Nikola plapperte einfach nur drauflos, um nicht zu zeigen, wie nervös er in Wahrheit war; als hätte ihn das, was er so deutlich nicht aussprechen wollte, bis ins Mark erschüttert.
    Nachdem Nikola sie etliche Male daran gehindert hatte, sich in irgendwelchen finsteren Winkeln oder unter Regalen und Schränken zu verstecken, schlug die Spinne nun den Weg zum Ausgang ein. In all dem Durcheinander und Chaos auf dem Boden hätten wir sie ein paarmal fast verloren, doch das Licht fand sie immer wieder, und schließlich schleppte sie sich ruckelnd und mühsam in den Gang zurück, durch den Allison und ich gekommen waren. Aber sie schlug die entgegengesetzte Richtung ein, fort von der metallenen

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