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IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)

Titel: IRRE SEELEN - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Masterton
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irgendwie ging auch eine seltsame Verlockung von ihnen aus. Nie zuvor hatte er Dunkelheit als so verlockend empfunden. In der Regel nahm er Finsternis als Bedrohung wahr. Jede Nacht bestand er darauf, dass sein Vater das Licht im Gang eingeschaltet ließ (obwohl es doch merkwürdigerweise am Morgen immer gelöscht war). Er näherte sich dem östlichen Trakt und starrte lange Zeit in die Schwärze, die vor ihm lag. Zaghaft sagte er: »Hallo?«
    Keine Antwort. Aber auch kein Echo. Er rief noch einmal »Hallo?«, ohne zu wissen, warum er auf eine Antwort wartete. Irgendwie empfand er eine gewisse Enttäuschung, als jegliche Erwiderung ausblieb.
    Randy wollte sich gerade umdrehen, um wieder hinunter in die Halle zu laufen, als er aus den Augenwinkeln eine kleine, grau-weiße Gestalt erspähte, die aus seiner Richtung ans andere Ende des Ganges tapste. Schockiert drehte er sich zu ihr um. Sein Herz schlug babumm, babumm, babumm. Jetzt rührte sich nichts mehr. Doch da war ein anderes Kind gewesen, er war sich absolut sicher. Ein kleines Mädchen mit einer Kapuze und einem knisternden Regenmantel. Er hatte es nicht knistern hören, sondern es vielmehr knistern gefühlt – Sssssschhhhhh, ssssschhhhh, sssssschhhhhh, durch den Gang.
    »Dad!«, rief er, doch da wurde ihm klar, dass er nur geflüstert und nicht laut gerufen hatte. »Dad!«, rief er erneut, doch es kam wieder nur ein leises Flüstern heraus.
    Zögernd betrat er den Korridor und tastete sich mit den Fingern die Wand und die Türen an jeder Seite vorwärts. Die grau-weiße Gestalt war nicht mehr zu sehen, aber er war sich sicher, dass sie noch da sein musste, auf ihn wartete, irgendwo dort in der Dunkelheit. Er war davon überzeugt, dass er keine Angst vor ihr haben musste.
    »Kleines Mädchen?«, rief er. »Kleines Mädchen?«
    Er passierte ein Fenster nach dem anderen. Jedes war mit einem Metallnetz verbarrikadiert. Endlich erreichte Randy das Ende des Ganges und fand sich auf einem Podest wieder. Eine weitere Treppe erstreckte sich zu seiner Linken. Aus einem der vergitterten Fenster fiel ein schwaches Licht darauf. Randy konnte den Regen gegen die Scheibe trommeln hören. Er wartete und lauschte. Diesmal verzichtete er auf ein lautes Hallo. Vor ihm befand sich eine Doppeltür. Er wollte sie öffnen, aber sie war abgeschlossen. Das kleine Mädchen musste die Treppe hinaufgegangen sein. Er sah schnell zurück auf den Korridor und entschied sich dann, ihr zu folgen. Weit konnte sie nicht gekommen sein.
    Während er die Stufen hochkraxelte, glaubte er, ein Lied aus weiter Ferne zu hören:
    Lavendelblau, dideldei;
    Lavendel, hier gehör ich hin.
    Hier bin ich König, dideldei;
    Und du wirst Königin.
    Dieses Lied hatte Randy schon gefallen, als er noch ganz klein gewesen war. Aus irgendeinem Grund fand er es schön und traurig zugleich. Und jetzt hörte er, wie es jemand hier sang! Er erreichte den nächsten Treppenabsatz. Von dem kleinen Mädchen auch dort keine Spur, doch er konnte sich denken, dass sie weiter nach oben gelaufen war und er sie dort finden würde.
    Als Randy den Dachboden erreichte, schnaufte er ziemlich heftig. Er stemmte die Arme in die Hüften und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Dann sah er sich um und blinzelte, so wie Kinder blinzelten, wenn sie besorgte Erwachsene nachzumachen versuchten.
    »Wo bist du bloß?«, wollte er wissen.
    Er begann den Gang entlangzustapfen. Seine roten Schuhe quietschten auf dem Linoleum. Randy versuchte, eine der Türen zu öffnen, dann noch eine, aber sie waren beide fest abgeschlossen. Immer noch konnte er jemanden singen hören. »Lavendelblau, dideldei ... Lavendel, hier gehör ich hin ...«
    Auf halbem Weg machte er halt. Vor ihm stand eine der Türen offen. Nur ein ganz klein wenig, doch weit genug, dass ein schwacher Lichtschein den Fußboden erhellte. Randy war verunsichert, verspürte aber keine Angst. Er lauschte auf die Geräusche im Haus. Es knarzte und ächzte überall um ihn herum wie auf der Arche Noah. Er hörte seinen eigenen Atem. Und die Stimme seines Vaters, die ganz dumpf von unten zu ihm drang. Und da vor ihm war die einen Spaltbreit geöffnete Tür, das schwache Licht auf dem Boden und ein unbestimmbares Gefühl: Ich bin hier, Randy! Wir sind hier!
    Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Vorsichtig drückte Randy gegen die Klinke und ging ins Innere. Er hörte undeutliche Geräusche, sein Blick war wie benebelt. Ich bin hier, Randy! Wir sind hier! Ein kleines Zimmer. An der Wand eine

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