IRRE SEELEN - Thriller (German Edition)
angehen.«
»Klingt doch gut«, stellte Jack fest.
Sie ging zum Münztelefon im Gang. Jack stand neben ihr, als sie eine Münze in den Schlitz warf und die Nummer wählte. Aus dem nächstgelegenen Büro konnte er das monotone Klappern von Plastik hören; vermutlich ein Redakteur, der eine Story in die Tastatur hackte.
Schließlich sprach die alte Dame in den Hörer: »Olive? Bist du das? Olive, hier ist Helena! Helena Manfield, ganz genau!«
Sie fuhren unter einem dunklen, wolkenverhangenen Himmel nach Sun Prairie, vorbei an rot gestrichenen Schuppen und dunkelgrünen Kohlfeldern, an silberfarbenen Silos und mit Regentropfen besprenkelten Gewächshäusern. Helena Manfield war ausgesprochen wortkarg und boykottierte den Sicherheitsgurt. Ihre Hände lagen im Schoß wie zwei extrem unruhig schlafende Vögel.
Jacks Fahrstil ließ sehr zu wünschen übrig. Vor Kreuzungen trat er oft erst in buchstäblich letzter Sekunde auf die Bremse und zweimal überfuhr er eine rote Ampel. Erst jetzt wurde ihm seine enorme Müdigkeit richtig bewusst.
Es war schon fast dunkel, als sie Sun Prairie erreichten. Helena lotste Jack von der 151 auf die 19 und dann ein holpriges, unasphaltiertes Sträßchen herunter, das sich auf den höchsten Punkt eines Hügels schlängelte, auf dem nur ein einziges, grün gestrichenes Haus stand. Es war von Gras und Blumen umgeben und schien geradewegs vom Himmel gefallen zu sein wie Dorothys Bauernhaus im Zauberer von Oz.
Jack parkte neben einer längst stillgelegten Egge und einem rostigen Futtertrog. Helena Manfield hakte sich bei ihm ein und gemeinsam kämpften sie sich im eisigen Regen zur Veranda durch.
Die Vordertür öffnete sich beinahe sofort. Auf den nassen Holzbrettern der Veranda spiegelte sich das Licht, das aus der Wohnung nach draußen drang. Die Stimme einer Frau ertönte: »Kommt rein! Kommt rein!«, und schon schälte sich Jack im kleinsten Gang, den er jemals gesehen hatte, aus seinem Mantel.
»Ach, Helena!«, rief Olive. Sie war groß und grobknochig, viel größer und weniger zierlich als Helena Manfield, aber doch ebenfalls attraktiv. Ihr graues Haar hatte sie mit einem blauen Seidenband zurückgebunden, die Augen wiesen eine geheimnisvolle Färbung in Lilatönen auf. Sie besaß das runde, intelligente Gesicht einer Frau, die sich nichts vormachen ließ, aber die Gabe besaß, über sich selbst lachen zu können.
Olive Estergomy trug ein weites Kleid mit blau-schwarzen Blumen darauf. Reizend, aber es wirkte doch irgendwie abgetragen und ein wenig schmuddelig.
»Kommt rein! Helena, meine Liebe! Ich habe mich so über deinen Anruf gefreut. Es ist viel zu lange her!«
Olive geleitete sie in ein Wohnzimmer, in dem hochwertige, allerdings schlecht aufeinander abgestimmte Möbel standen. Eine französische Chaiselongue, die mit grün gemusterter Seide gepolstert war, ein brauner Ledersessel und verschiedene Tische in allen erdenklichen Formen und Größen. An der Wand hingen grelle Aquarelle mit den größten Seen Wisconsins, eingerahmte Zeugnisse und Ehrendiplome. Jack beugte sich über die Couch, um eines der Diplome genauer zu inspizieren. Es handelte sich um eine Ehrendoktorwürde in klinischer Psychologie der Universität von Edinburgh, die am 12. März 1921 an Elmer J. Estergomy verliehen worden war.
Ein Feuer glomm schwach im Kaminrost. Olive Estergomy stocherte mit dem Schürhaken darin herum und erklärte dann: »Das Holz ist noch viel zu feucht.«
»Ich bin Jack Reed«, stellte sich Jack vor. »Ich bin derjenige, der sich für The Oaks interessiert.«
»Ich verstehe«, antwortete Olive Estergomy. Sie bedachte ihre Freundin mit einem fragenden Blick, während sie ihre lange Bernsteinkette zwischen den Fingern drehte. »Wie haben Sie Miss Manfield kennengelernt?« Als sie die Frage stellte, ließ sie durchklingen, dass sie davon ausging, Helena und er hätten sich gegen sie verschworen.
»Olive, wir haben uns im Archiv der Times kennengelernt. Es war purer Zufall«, erklärte ihr Helena. »Ich habe Ausrisse für den Pressespiegel aufgeklebt und Mr. Reed suchte zur selben Zeit nach Artikeln über The Oaks.«
»Ihre Pläne beeindrucken mich sehr, Mr. Reed«, sagte Olive Estergomy. »Ich würde das alte Gebäude gerne restauriert sehen.«
»Hat sich Mr. Bufo mit Ihnen in Verbindung gesetzt?«, erkundigte Jack sich.
»Er hat mir Ihren Preis genannt und ich habe ihn akzeptiert.«
»Hat er Sie heute angerufen?«
Olive Estergomy lehnte sich an den Kamin und vermittelte
Weitere Kostenlose Bücher