Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
Patient dauerhaft auf sein süchtiges Verhalten verzichten.
So ist die Sucht der Preis für das utopische und doch mit allen Kräften von den Normalen betriebene Projekt der Machbarkeit
des Glücks. Dieses zum Scheitern verurteilte Projekt wird nie enden, so lange es Menschen gibt. Und die immer weiter steigende Zahl der feinfühligen Süchtigen zahlt die Zeche für den schwindelerregenden Leichtsinn aller.
III Irren ist menschlich - Die Schizophrenie
1. Schizophrenie im Selbstversuch - Was eine Psychiatrie mit einem Ministerium gemein hat
Irgendetwas stimmt hier nicht. Dieses Buch ist merkwürdig. Immer wieder kommt der Anfangsbuchstabe meines Nachnamens in auffälligen Kombinationen vor. Einige Geschichten erinnern mich an eigene Erlebnisse, die der Lütz doch gar nicht kennen kann. Wie ist mir dieses Buch überhaupt in die Hände gespielt worden? Der Mann im Buchladen hat mich auch schon so eigenartig angeschaut. Lächelte er nicht irgendwie hintergründig? Wer hat mich so intensiv auf dieses Buch verwiesen, dass ich es jetzt lese? Und was sollte das eigentlich? Warum soll ausgerechnet ich dieses Buch über Psychiatrie lesen? Will mich da jemand verrückt machen? Will man mich irgendwie in die Psychiatrie bringen? Und jetzt lese ich noch diese Sätze! Wird damit jetzt gleich die Katze aus dem Sack gelassen? Wird nicht jetzt gleich, während ich über meine drohende Einlieferung in die Psychiatrie lese, jemand hereinkommen und mich in freundlich einfühlsamem Ton auffordern, meine Sachen zu packen und einfach mal mit ins Krankenhaus zu kommen? Gerade spüre ich auch so einen leichten Druck auf dem Magen. Woher kommt der denn plötzlich? Irgendwie ist ja auch das Zimmer, in dem ich hier bin, merkwürdig. Der Griff am Fenster zeigt auf mich. Warum? Das Bild an der Wand hängt etwas schief. Was soll mir das sagen? Irgendwie ist das hier doch alles arrangiert. Auch der Mensch, dem ich eben begegnete, bevor ich mich zum Lesen zurückzog, reagierte nicht wie sonst. Seine Worte selbst waren zwar nicht besonders auffällig, aber es schwang da bei genauem Hinhören etwas mit. Jetzt soll ich die Seite umblättern, warum ausgerechnet jetzt?
Muss ich jetzt unbedingt weiterlesen? Was passiert, wenn ich jetzt das Buch schließe? Ist das dann das Zeichen für etwas Furchtbares? Ich hatte ja schon länger so ein Gefühl... Passiert es jetzt? Im nächsten Moment? Es ist alles so unheimlich. Irgendwie unwirklich. Nicht so wie sonst. Aber was steckt eigentlich dahinter? Wer führt da etwas gegen mich im Schilde? Warum outet der sich nicht? Warum diese ganze Heimlichtuerei? Doch je mehr ich darüber nachdenke, fällt mir wieder dieser Buchhändler ein. Er lächelte ja so merkwürdig. Wahrscheinlich steckt der dahinter. Ja, klar, der hat das alles organisiert! Der hat mir dieses manipulierte Buch mit all den indirekten Botschaften in die Hände gespielt, der will mich verrückt machen, mich demütigen, mich fertigmachen. Der hat auch hier im Zimmer mit irgendwelchen undurchsichtigen technischen Methoden einige Auffälligkeiten produziert. Vielleicht bestrahlt er auch meinen Magen mit irgendwelchen unsichtbaren Laserstrahlen. Dieser Kerl steckt hinter allem! Jetzt ist es klar! Aber von dem werde ich mich nicht so schnell unterkriegen lassen! Ich lasse mich nicht mit Strahlen terrorisieren! Ich lasse mich nicht verrückt machen! Ich bin nicht verrückt! Meine Umgebung ist verrückt gemacht - von diesem widerlichen Buchhändler.
Wie geht es Ihnen, lieber Leser? Vielleicht gerade mal nicht so gut. Denn was Sie soeben möglicherweise einen kurzen Moment lang erlebt haben, ist eine so genannte Wahnstimmung, aus der sich ein konkreter Wahn entwickelte. Sie haben erleben können, dass die Wahnstimmung ausgesprochen unheimlich ist und dass dann das Auftauchen eines konkreten Wahns - dass der Buchhändler hinter allem steckt - geradezu erleichternd wirkt. Vielleicht können Sie daher auch ein bisschen verstehen, warum man einen Wahnkranken von seinem Wahn durch Gespräche nicht abbringen kann, denn während das Ich sich in der Wahnstimmung fast aufzulösen droht, gibt der Wahn, der Buchhändler stecke hinter allem, wieder eine gewisse Sicherheit. Eine kranke Sicherheit zwar, aber kranke Sicherheit ist immer noch besser als die Auflösung des Ich.
Die Verunsicherung des Ich vom Kern her, die Unfähigkeit, mit diesem Ich Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, und daher das Gefühl, der Fülle der Eindrücke, die man
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