Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
noch viel beunruhigendere Erkrankung ist das so genannte Korsakow-Syndrom. Der Volksmund meint dazu, jemand habe sich »das Gehirn weggesoffen«. Genauer gesagt, die Patienten verlieren bei diesem »amnestischen Syndrom« mehr oder weniger plötzlich die Orientierung und vor allem das Neugedächtnis. Im Gegensatz zur Demenz sind die intellektuellen Fähigkeiten noch weitgehend erhalten. Im Gegensatz zum Delir ist das Bewusstsein nicht getrübt oder durch Halluzinationen beeinträchtigt. Da beim Korsakow-Syndrom
oft ein Mangel an Vitamin B1 vorliegt, wird dieses Vitamin im akuten Zustand hochdosiert als Medikament gegeben, um zu retten, was zu retten ist. Doch die Entwicklung ist langwierig. Oft kann man noch nach Monaten eine deutliche Besserung erreichen. Manche Patienten finden allerdings aus diesem Zustand nicht mehr heraus oder enden in einer Alkoholdemenz. Der Schauspieler Harald Juhnke erlitt am Ende seines Lebens durch fortgesetzten Alkoholkonsum einen schweren Orientierungs- und Gedächtnisverlust. Halluzinose und Amnestisches Syndrom sind organisch psychische Störungen, die auch aus anderer Ursache vorkommen können. Welches Organ durch den Alkoholismus am meisten betroffen ist, das ist im Übrigen zumeist erblich bedingt.
Menschen, die abhängig sind von illegalen Drogen, vertragen sich meistens nicht gut mit den anderen Süchtigen. Aber sie sind vor allem den Normalen ein Dorn im Auge. Diese flippigen jungen Patienten, oft ohne Arbeitserfahrung, leben nur noch für den Kick, das ganz kurze und ganz intensive Hochgefühl. Doch bald treibt sie nur noch die Angst vor dem Entzug von einem Zusammenbruch zum nächsten. Dabei ist Cannabis, Haschisch, gewiss weit weniger zerstörerisch als Heroin. Die Organschädigungen durch Haschisch sind sogar geringer als durch Alkohol. Das hat in jüngster Zeit zur Verharmlosung von Haschisch geführt. Doch dafür besteht kein Anlass. Denn Haschisch wird im Gegensatz zu Alkohol ausschließlich wegen der angestrebten künstlichen Bewusstseinsveränderung konsumiert. Das birgt erheblich größere Gefahren. Und so ist es kein Wunder, dass Haschisch de facto bei vielen die Einstiegsdroge für eine verhängnisvolle Drogentragödie ist.
Von Haschisch kann man noch leichter loskommen. Die Entzugserscheinungen sind milder. Dagegen ist die Abhängigkeit und der Entzug von Heroin erheblich heftiger. Die Abhängigkeit tritt auch schneller ein. Ich erinnere mich gut, dass ich eine Haschisch konsumierende junge Frau behandelte, die es schließlich schaffte, den Haschischkonsum zu beenden. Da nahm sie eines Tages Heroin. Plötzlich war die Patientin völlig
verändert. Sie entglitt sich, ihren Angehörigen und auch der therapeutischen Beziehung. Im letzten Moment gelang es, sie zu einer Entgiftung zu bringen, und sie schaffte es. Heute ist sie glücklich verheiratete Mutter.
Entscheidend ist die Prävention. Es muss gelingen, den ersten Konsum zu verhindern. Dazu ist es wichtig, dass junge Leute in einem Umfeld heranwachsen, in dem die wichtigsten Mitmenschen nicht leichtfertig mit Suchtmitteln umgehen, und dass statt des passiven Genusses durch den »Kick« das Leben aktiv gestaltet werden kann.
Illegale Drogen haben auch ihre Geschichte. Da waren die Morphinisten des 19. Jahrhunderts, vor allem aber die Opiumhöhlen, mit denen die westlichen Kolonialmächte China wehrlos zu machen versuchten. Immerhin führten die Briten zwei regelrechte Opiumkriege, um den chinesischen Kaiser zu zwingen, das Opium weiter einführen zu lassen. Am Ende gab es 100 Millionen Opiumkonsumenten in China. Dieser unglaubliche Zynismus der Europäer erklärt zur Genüge manches antiwestliche Vorurteil geschichtsbewusster Chinesen. Die Flower-Power-Typen der 68er-Generation hatten in LSD die Superdroge, die die Welt halluzinatorisch schon so aussehen ließ, wie man es gern hätte. Wenn da nur nicht die Horrortrips gewesen wären, die plötzlich über einen herfallen konnten. Auch mit Haschisch gab es ja die unangenehmen »Flash-backs«, die noch Wochen nach Cannabiskonsum eintreten konnten, Zustände plötzlicher Panik. Kokain war dann die Partydroge der Schönen und Reichen und derer, die - koste es, was es wolle - dazugehören wollten. Zwar gibt es da kaum eine körperliche, aber eine massive psychische Abhängigkeit, die das Leben genauso gründlich ruinieren kann wie all die anderen bewusstseinsverändernden Verrücktmacher, die Designerdrogen und Aufputscher, mit denen man sich selbst in
Weitere Kostenlose Bücher