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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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Krieger, und als wir ihr Wehegeschrei vernahmen, schwebten sie schon unerreichbar in den Lüften über uns zu Tode Er schütterten, die wir hoch über dem Grund des Meeres schwebten!Wir sahen auf, und unsere Haare sträubten sich, da wir die lieben Gefährten zappelnd und um sich schlagend in den Zähnen der Skylla schauen mussten; ich sah ihre Arme und Beine in den Lüften rudern und stand ohnmächtig und hörte die Freunde um Hilfe jammern und flehentlich meinen Namen rufen, und ich sah sie in der Höhle verschwinden und hörte ihr armes letztes Geschrei und das Krachen ihrer Knochen und das Schmatzen des Ungeheuers – ach, glaube mir, König, nichts Erbärmlicheres als dies habe ich je erlebt, so vieler Jammer mich auch im stürmenden Meer schon verfolgte!
Auf der Insel des Sonnengottes
    Nachdem wir der Skylla und Charybdis entkommen waren, stießen wir bald auf die Insel Thrinakia, und noch ehe wir sie erblickten, hörten wir schon das Gebrüll ihrer breitstirnigen Rinder und Stiere und das Geblök ihrer feisten Schafe.
    Ich dachte an die Warnung Teiresias’ wie Kirkes und gebot, an der Insel vorüberzusteuern, aber die lieben Gefährten murrten, und mein Schwager Eury lo chos sprach in hellem Zorn: ›Grausamer Mann, du musst mit besonderer Kraft begabt sein und bist wohl aus unbeseeltem Stahl gebildet, dass du die Notdurft des Schlafs und der Ruhe nebst Speise und Trank zu entbehren vermagst! Wir aber sind erschöpft und entkräftet, miss uns nicht an deinem übermenschlichen Maße! Siehe, die Nacht sinkt hernieder, wie leicht ist’s da, zu kentern oder auf ein Riff zu laufen! Nein, wir verlangen, an Land zu gehen und uns ins weiche Gras zu betten; morgen wollen wir dann ins offene Weltmeer steuern!‹
    Also sprach Eurylochos, und alle klatschten ihm Beifall, da wusste ich, dass ein Himmlischer ihre Herzen verwirrt und Unheil verhängt hatte. Allein es wäre zwecklos gewesen, dem Willen der Gefährten zu widerstreben, und so ließ ich sie denn den heiligsten Eid schwören, keines der Rinder oder Schafe anzutasten, sondern sich mit dem Vorrat zu begnügen, den Kirke uns als Wegzehrung mitgegeben hatte.
    Sie taten so, wie ich verlangte, und schworen den Eid, dann landeten wir nahe einer Quelle mit süßestem Wasser, bereiteten uns ein Mahl und beweinten die Freunde, die der grässlichen Skylla zum Opfer gefallen. Endlich löste ein linder Schlummer unsere Trauer.
    Es war noch tief in der Nacht und das Morgenrot noch nicht am Himmel erschienen, da sandte uns Zeus eine furchtbare Windsbraut; ein undurchdringliches Gewölk verhängte Meer und Erde, und Windsbraut und Gewölk dauerten über den Tag. Wir saßen verstört unter dem sausenden Dunkel, und Windsbraut und Gewölk waren auch nach einer Woche und nach einem Monat nicht gewichen, und wir hätten schließlich derFinsternis doch zu trotzen gewagt, wenn nur ein anderer Wind als der Ostwind geblasen hätte, da wir doch West- oder Nordwind brauchten. Schließlich waren die Vorräte verzehrt, und Gewölk und Windsbraut dauerten immer noch. Wir streiften die Insel ab, mit krummen Angeln Fische oder Vögel mit Netzen zu fangen, doch die geringe Beute, die wir erlegt, konnte unseren nagenden Hunger nicht stillen. Ohne der Himmlischen Hilfe waren wir verloren. Ich pilgerte zu einem windfreien Gestade, wusch mir dort, wie es heiliger Brauch ist, die Hände und flehte die Götter an, unsere Not zu enden, und sie schienen mir gnädig gesinnt, denn sie sandten mir einen tröstenden Schlaf.
    Mein Schwager Eurylochos aber reizte, da ich fern war, die Freunde zum Verderben. ›Ist es nicht gleich, wie wir zugrunde gehen, Kameraden‹, so rief er aus, ›furchtbar ist jeder Tod, doch keiner grausamer als das langsame Hinsiechen im Hunger! Lasst uns aufbrechen und die besten Sonnenrinder schlachten; sieben mal fünfzig feiste Rinder und sieben mal fünfzig strotzende Schafe weiden hier, da wird uns wohl noch eine Mahlzeit gestattet sein! Wenn wir dann glücklich in Ithaka sind, wollen wir Helios den herrlichsten Tempel bauen und ihn durch die prächtigsten Opfer schon wieder versöhnen!‹
    Also sprach er, und die Verblendeten jauchzten ihm zu und trieben die stattlichsten Rinder und Schafe zusammen, schlachteten sie ab, weihten die besten Lendenstücke und die Einge wei de den Göttern, das übrige aber schnitten sie klein und brieten es am Spieß.
    Ich erwachte zu spät. Ich witterte den Duft des gebratenen Fleisches, und da ich zu den Frevlern eilte, stieg schon Lampetia,

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