Irrfahrt
beiden Aale los. Laufzeit vierzig Sekunden. Treffer mittschiffs!
Der Kommandant ging auf Sehrohrtiefe. Die See hatte sich beruhigt, nur vereinzelt standen kleine Schaumkronen auf den Wellen. Als kein anderes Fahrzeug erschien, ließ Thieme auftauchen. Der Frachter war schwer getroffen und hatte bereits eine starke Schlagseite. Langsam lief das Boot um das Heck des Dampfers. «Warszawa» stand in weißen Buchstaben am schwarzen Schiffsrumpf. Auch der Name des Heimathafens war zu entziffern: Gdynia. Also ein polnisches Schiff!
Verzweifelt sendete der Funker SOS-Signale in den Äther, während die Besatzungsmitglieder schon in die Rettungsboote stiegen. Kurz vor Mitternacht sank der alte Frachter.
Thieme legte sich auf die Lauer. Nach seiner Berechnung mußte bald ein Geleitfahrzeug kommen, um die Schiffbrüchigen aufzunehmen. Schon einmal war ihm der Trick gelungen, warum nicht ein zweites Mal?
Er wartete drei Stunden.
Allmählich begriff Koppelmann, was hier gespielt wurde. Um die Besatzung eines britischen oder amerikanischen Schiffes hätte man sich sofort gekümmert. Aber um die paar Polen? Für sie wollte der Geleitzugführer offenbar nichts riskieren.
Im Horchgerät wurde eine Detonation registriert. Wahrscheinlich war ein Dampfer getroffen worden, der ebenfalls hinter dem Geleit herzuckelte. Als jedoch wenige Minuten danach weitere Explosionen gemeldet wurden, stieg der Kaleu selbst in den Horchraum. «Es klang wie ein Satz Wasserbomben in großer Entfernung», sagte der Maat.
Thieme setzte neuen Kurs und ging vorsichtig näher. Nach einer halben Stunde meldete die Brückenwache voraus einen Zerstörer. In kurzen Abständen warf er Wasserbomben. Jedem war klar, daß hier ein Schwesterboot verfolgt wurde.
Thieme sagte vorerst kein Wort. Noch war Zeit auszuweichen, aber damit wäre das andere Boot dem sicheren Untergang geweiht. Wenn der Zerstörer nicht für dringendere Aufgaben abberufen wurde, konnte er bei der ruhigen See das getauchte Boot ohne die geringste Hast vernichten.
Der Kommandant rief seine Offiziere. Er verkündete seinen Entschluß, den Zerstörer anzugreifen. Dann stieg er in den Bugraum und verhandelte lange mit dem Torpedomaat. Drei Rohre wurden geladen.
Koppelmann fragte den I WO, was das bedeuten sollte.
Oberleutnant Berger mußte sich zwingen, ruhig zu bleiben. Er hielt den Angriff für außerordentlich riskant. Aber es war zwecklos, Bedenken zu äußern, wenn Thieme sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Berger nahm Zettel und Bleistif t und erklärte dem wißbegierigen Fähnrich die Operation. «In wenigen Minuten hat uns der Zerstörer in seinem Gerät. Natürlich wird er versuchen, schnell auf uns zuzustoßen und uns mit einem großen Satz Wasserbomben einzudecken. Wir bleiben auf Sehrohrtiefe. Sobald er auf vierhundert Meter heran ist, schießen wir einen Dampfgastorpedo genau auf ihn zu. Was wird der Zerstörer dann tun?»
Koppelmann überlegte. Die Auswahl an Möglichkeiten war gering. «Er kann nur nach Steuerbord oder nach Backbord ausweichen.»
«Richtig, Herr Fähnrich! Demzufolge schießen wir zehn Sekunden später noch zwei Elektrotorpedos, die auf höchste Geschwindigkeit und geringe Laufstrecke eingestellt sind. Der eine bekommt einen Schußwinkel plus zehn Grad, der andere minus zehn Grad. Einer der drei Torpedos muß treffen.»
«Und wenn keiner trifft?»
«Dann sind wir erledigt», sagte der I WO bitter.
Währenddessen klebte der Kommandant am Periskop. Was nun bevorstand, war ein Entscheidungskampf; entweder der Zerstörer oder das U-Boot.
«Zerstörer peilt dreihundertfünfundfünfzig Grad», kam die Meldung aus dem Horchraum. Thieme fluchte. «Sie Idiot, er hält genau auf uns zu!»
Gehorsam wiederholte der Mann am Horchgerät: «Zerstörer peilt null Grad.»
Thieme schätzte die Abstände, der Horchraum korrigierte. Siebenhundert Meter, sechshundert Meter. Jetzt waren die Schraubengeräusche im Boot deutlich zu hören. Mit Höchstfahrt liefen die beiden Fahrzeuge aufeinander zu.
Fünfhundert Meter!
Als der Horchposten vierhundert Meter ansagte, ließ Thieme das Rohr zwei losmachen. Der kleinste Fehler in der Einstellung, ein geringfügiges technisches Versagen würde in, dieser Phase des Kampfes den sicheren Tod bedeuten.
Sekunden später schickte Thieme die beiden Elektrotorpedos auf die Reise. «Zerstörer dreht nach Steuerbord», rief der Horchposten. Doch niemand verstand, was er sagte. Eine gewaltige Erschütterung lief durch das kleine Boot.
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