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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Himmel vorbei, hatte aber das Boot nicht wahrgenommen.
    Und wieder ging eine halbe Stunde alles gut. Dann wurden sie aus achterlieher Position angegriffen. Alarmtauchen! Zwei Bomben explodierten in geringer Entfernung, richteten aber zum Glück keinen Schaden an. Allmählich war allen klar, daß der Ladezustand für eine ungestörte Nachtfahrt nicht ausreichte. Immer wieder unter Wasser gedrückt, kam das kleine Fahrzeug nur im Schneckentempo vorwärts. Oberleutnant Berger rechnete aus, daß sie auf diese Weise noch sechs Tage im Bereich der feindlichen Luftüberwachung bleiben würden.
    Am Tage darauf war neunmal Fliegeralarm und Alarmtauchen. Die Besatzung kam sich vor wie auf der U-Boot-Schule. Es war unmöglich, länger als eine Stunde «oben» zu bleiben.
    In der Nacht, bei kurzen Überwasserfahrten, erlebten sie zweimal das Leichenlicht. Ein Funkspruch wurde aufgefangen: Warnung des BdU vor Überwasserfahrten in der Nacht! Ärgerlich knüllte Thieme den Papierstreifen zusammen. «Die haben vielleicht eine Ahnung, was hier los ist ... »
    Der nächste Tag brachte nur achtmal Fliegeralarm. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: die Zahl nahm wenigstens ab.
    Thieme gab die übliche Standortmeldung. Minuten später kam die Rückfrage vom BdU, warum das Boot so langsam liefe. Thieme setzte einen Spruch auf, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigIieß. Grinsend machten sich die Funker ans Verschlüsseln, doch ehe der Spruch abgesetzt war, mußten sie wieder tauchen. Als der Kommandant nach oben stieg, war sein Zorn halbwegs verraucht. Er ließ den Funkspruch streichen. Der Maat mußte sogar die entsprechende Seite aus der Kladde reißen. Immerhin wollte Lutz Thieme einmal Taktiklehrer an der U-Boot-Schule werden. Dazu brauchte er das Wohlwollen der einflußreichen Herren. Ein winziger Fehltritt, und er konnte sich die begehrte Stellung in den Wind schreiben.
     
    Das Boot wurde in der Biskaya gejagt wie der Hase von einer Meute Jagdhunde. Die Flugzeuge lösten sich gegenseitig ab. Nur für kurze Zeit gelang das Auftauchen und Nachladen der Batterien. Immer wieder fielen Bomben. Es war geradezu ein Wunder, daß noch keine getroffen hatte.
    Kapitänleutnant Thieme ging abends durch alle Räume. Offiziell, um den technischen Zustand und die Einhaltung der Befehle zu kontrollieren. In Wirklichkeit wollte er feststellen, in welcher Verfassung sich die Besatzung befand.
    Die schweren Tage der Verfolgung hatten die Männer schon merklich gezeichnet; viele waren am Ende ihrer Nervenkraft, und dabei lag der entscheidende Abschnitt noch vor ihnen. Der Kommandant fing Blicke auf, die alles andere als freundlich waren. Doch er sagte kein Wort. Zum ersten Male fühlte er sich unsicher. Würde die Besatzung durchhalten?
    Endlich kam der erste Tag ohne Luftangriff. Das Boot hatte die «schwarze Zone» erreicht. Hier war weder von Großbritannien noch von Island, Gibraltar oder den USA mit Fliegertätigkeit zu rechnen.
    In Höhe der Azoren stand ein Geleitzug, der Kurs auf Liverpool nahm. Der BdU setzte Thiemes Boot auf KolIisionskurs an. Es konnte mit langsamer Fahrt laufen, denn der Konvoi würde erst in zwei Tagen am Standort des Bootes vorbeikommen.
    Der Kapitänleutnant unternahm einiges, um die Stimmung an Bord zu heben. Er ließ nur die notwendigsten Positionen besetzen, die anderen Männer hatten lange Freiwache. Sogar Schnaps wurde ausgegeben, was auf See seIten vorkam. Thieme mischte sich «unters Volk». Er berichtete von der großen Geleitzugschlacht im März, als vierundvierzig U-Boote gegen einen Doppelkonvoi mit achtzig Schiffen eingesetzt waren. «Einundzwanzig Schiffe haben wir auf den Meeresgrund geschickt, und nur ein einziges Boot verloren.» Allerdings verschwieg er, daß Dönitz die Schlacht abbrechen mußte, weil die Boote abgekämpf t und größtenteils schwer beschädigt waren.
    Der Bericht machte Eindruck auf die Männer. Besänftigt und reichlich angeheitert krochen sie in ihre Kojen.
    Immer wieder trafen Meldungen ein. Das Geleit war im Anmarsch. Thieme glaubte fest, daß er aus vorlicher Position gleich beim ersten Anlauf zum Schuß kommen würde. Als der Morgen graute, war der Geleitzug noch vierzig Seemeilen entfernt.
    «Fliegeralarm!» rief die Brückenwache. In einer halben Minute war das Boot unten. Thieme grif f sich den Posten. «Hier hat es noch nie Flugzeuge gegeben! Ihr seid wohl noch dun von gestern!»
    Aber der Posten blieb bei seiner Aussage. «Bestimmt, Herr Kaleu! Es war eine kleine

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