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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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dabei. Der Anlaß zum Streit war nichtig, wie die Feststellungen ergaben. Die beiden Gruppen waren sich auf dem Bürgersteig entgegengekommen, keine wollte den Weg freigeben. Eine leichte Anrempelei, ein paar Schimpfworte, und schon brach der Krawall aus.
    Immer noch wurden die Verhandlungen in erheblicher Lautstärke geführt. Die meisten Männer hatten getrunken, redeten wirr durcheinander.
    Aus einer Seitenstraße näherte sich das Trappeln benagelter Stiefel. Das bedeutete nichts Gutes. Fallschirmjäger konnten es nicht sein, die trugen hohe Schnürschuhe mit Gummisohlen. Die Marine ging meist in leichten Halbschuhen; benageIte Stiefel gab es an Bord Überhaupt nicht. Das Getrappel konnte nur von der Feldgendarmerie kommen. Wer trabte schon abends im Laufschritt über das Pflaster?
    Vor diesen Greifern hatten alle, Fallschirmjäger wie Matrosen, eine Heidenangst. Die Gendarmen waren brutale Kerle. Wer ihnen verdächtig vorkam, den schlugen sie grausam zusammen. Oft endeten solche Begegnungen vor einem Kriegsgericht oder in der Strafabteilung.
    Innerhalb weniger Sekunden stob der Haufen auseinander. Die beiden Oberjäger nahmen Gerber mit. Mit geübtem Griff brachen sie eine Haustür auf, und über Mülltonnen und Gerümpel hinweg turnten sie bis zum nächsten Häuserblock. Gerber konnte kaum folgen, er besaß nicht die katzenhafte Gewandtheit der Jäger.
    Die drei legten eine kurze Verschnaufpause ein. Gerber war durch die Hetzjagd ziemlich außer Atem geraten, den Fallschirmspringern machte diese Übung wenig aus. Im Schatten eines tiefen Hauseinganges horchten sie, ob alles ruhig war.
    Da bog ein Trupp der Kettenhunde um die Ecke. Am Stahlhelm, den sie im Dienst trugen, und an dem blinkenden Brustschild waren sie unschwer zu erkennen.
    Für eine Flucht war es zu spät. Eng aneinandergedrängt standen die drei in dem dunklen Hauseingang. Gerber hielt den Atem an. Die Fallschirmjäger griffen in eine Tasche am Oberschenkel.
    Sie hatten Glück. Die Bullen marschierten vorbei und bemerkten sie nicht. Die Männer warteten noch einige Minuten, dann schlichen sie vorsichtig in das verwinkeIte Stadtviertel am Fischmarkl. Hier war nichts zu befürchten. Vor kurzem, an einem nebligen Morgen, hatte ein Feldgendarm tot im Rinnstein gelegen. Der Fall war nie aufgeklärt worden, und seitdem traute sich keine Streife mehr in diese unübersichtliche Gegend.
    Gerber lud seine beiden Helfer zu einer Flasche Wein ein. Die Fallschirmjäger hatten bei Monte Cassino gelegen und waren mit ihrem Divisionskommandeur General Ramcke mehrfach ausgezeichnet worden. Auf ihren Spitznamen, die «grünen Teufel», waren sie mächtig stolz. Ihre Erzählungen übertrafen alles, was Gerber von der Kriegsmarine kannte, und das war gewiß nicht wenig.
    «... holten uns Lastwagen vom Bahnhof ab, weil kein Zug mehr fuhr. Das erste Fahrzeug sollte den Weg markieren. Haben wir uns einfach beim Ortskommandanten jede Menge eingesperrter Italiener geben lassen. Hinter jeder Stadt hat unser Kompaniechef einen von den Kerlen an den Baum gehängt. Da wußten wir immer, daß unsere Kolonne auf der richtigen Straße war ... »
    «... ging die Kompanie geschlossen in einen Puff. Die Stoppelhopser und Schlipssoldaten haben wir einfach rausgefeuert, in Unterhosen auf die Straße gesetzt. Zwei Posten mit MPi vor die Tür, dann ging's los! Gleich unten im Saal haben wir den Weibern ihre paar Fetzen vom Leib gerissen und sie einschließlich der Alten so durchgezogen, daß der Laden drei Tage geschlossen bleiben mußte. Bude zu, Affe krank ... »
    «... in Rennes war der Sprit alle, nichts mehr zu machen. Eisenbahn fuhr nicht, hatte Schiß vor den Jabos. Wir sollten fünfzig Kilometer bis Malo tippeln. Kam natürlich nicht in Frage! Wir sind Jäger und keine Infanterie! Haben wir uns an eine Straßenecke gestellt, mitten in der Stadt. Alle Franzosen mit Fahrrädern angehalten, Pistole vor den Wanst: Absteigen, Mussjöh! Und sind losgeradelt ... »
    Gerber fragte, warum sie vorhin in dem Hauseingang an ihre Hose gegriffen hatten. Grinsend holten die Oberjäger ihre Kappmesser aus den Knietaschen. Beim leisesten Fingerdruck sprangen die breiten Klingen heraus. Gerber durfte prüfen, sie waren rasiermesserscharf. «Wenn uns die Greifer gesehen hätten ... » Sie machten eine Bewegung, die im Nahkampf mit Stichwaffen geübt wurde. «Ihr könnt jede Dummheit machen und meinetwegen auch Leute umlegen», hatte ihnen der Bataillonskommandeur eingeschärft. «Ihr dürf t euch

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