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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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begriff sofort. Er habe sowieso vor beim nächsten Einsatz in der Muna einmal genau Umschau zu halten. «Leute, da ist vielleicht ein Frauenüberschuß! Sollte mich sehr Wundern, wenn sich dort nicht ungesättigte Valenzen finden lassen!»
    Erleichtert gaben sie Prasse eine Schachtel Zigaretten, und dieser versprach hoch und heilig, ihnen als «Blockadebrecher» zu dienen.
    Beim nächsten Arbeitseinsatz bekam Prasse ein Kommando in der Versandabteilung. Hier arbeiteten hauptsächlich Frauen. Wenn schwere Kisten zu verladen waren, forderten sie einen Trupp vom Arbeitsdienst an. Erna, die Leiterin der Abteilung, war eine energische Berlinerin. Sie wußte immer genau, was sie wollte, und die anderen Frauen hörten auf sie ohne Widerrede.
    Prasse war mit Erna und einer Kollegin, die Heidemarie hieß, bei der Arbeit ein wenig ins Gespräch gekommen. Mittags machte er seine drei Freunde mit beiden Frauen bekannt. Er schlug vor, abends ins Lagerkino zu gehen und vorher noch gemeinsam ein Gläschen zu trinken. Erna sagte zu, und diese Zusage galt automatisch auch für Heidemarie.
    Die Freunde waren jedoch nicht ganz einverstanden. Zusammen mit Prasse waren sie vier, und dann nur zwei Frauen? Auch Prasse hatte das Mißverhältnis erkannt. Er sprach noch einmal mit Erna.
    Abends war das Gleichgewicht hergestellt. Erna brachte neben Heidemarie noch zwei junge Frauen mit. Alle waren etwa Mitte Zwanzig und durchschnittlich hübsch. Ihr Haar hatten sie modisch aufgesteckt; über den schlichten Kleidern trugen sie Strickjacken, denn um diese Jahreszeit war es bereits empfindlich kühl.
    Bei Schnaps und Bier kam die Unterhaltung schnell in Gang. Die Frauen erzählten aus ihrem Leben. Erna war verheiratet, ihr Mann stand in Dänemark. Der Mann einer anderen war in Frankreich. «Wer weiß, ob er mir überhaupt noch treu ist», sagte sie, «der Krieg verdirbt manchen Charakter.»
    Die Unzuverlässigkeit der verheirateten Männer bildete eine Zeitlang das Gesprächsthema. Die vier ledigen Arbeitsmänner konnten da nicht mitreden. Sie merkten deutlich heraus, daß diese jungen Frauen sich einsam und vernachlässigt fühlten. Ihre Klagen über die schwere Arbeit in der Muna hörten sie geduldig an und gaben ihnen in allen Punkten recht.
    Der Aufbruch verlief reibungslos. Prasse hakte Erna unter, und Helmut Koppelmann übernahm Heidemarie, die ihm bei der Unterhaltung freundliche Blicke zugeworfen hatte. Auch die übrigen Paare hatten sich bereits verständigt. Im Kino belegten sie eine Bank in der letzten Reihe. Von hier war die Sicht schlecht, aber darauf kam es ja nicht an.
    Getreu den von Prasse erhaltenen Weisungen legte Helmut bei der Wochenschau seinen Arm vorsichtig um Heidemaries Taille. Sanft schob sie ihn fort. Auf der Leinwand erschienen heimkehrende U-Boot-Besatzungen. Blitzmädchen überreichten Blumensträuße und wurden dafür abgeknutscht. Dieses Vorbild ermunterte Helmut, seine Partnerin zärtlich auf Ohr und Wange zu küssen und erneut einen Vorstoß zu wagen. Heidemarie schaute wie gebannt auf die Leinwand und leistete keinen Widerstand. Genau das hatte Prasse vorausgesagt.
    Als das Licht anging, lösten sich die vier Paare aus der Umklammerung. Die Frauen sahen ihren Begleitern dankbar in die Augen und lächelten.
    Den Hauptfilm, «Drei Maderln um Schubert», kannten die Frauen längst, und für die jungen Männer war er sowieso kaum von Interesse. Helmut tastete sich wieder an Heidemarie heran, traute sich aber nicht, kühner zu werden. Plötzlich riß der Streifen, das Licht flammte auf, und er konnte gerade noch sehen, wie Erna mit flinken Fingern ihr Kleid zuknöpfte. Damit war der Beweis erbracht, daß Prasse als Flottillenführer um einige Bootslängen vor den anderen lag.
    Helmut beschloß aufzuholen. Das gelang ihm auch. Gegen Ende der Vorführung ließ Erna einen unterdrückten Schrei hören; Heidemarie hingegen lehnte friedlich in Koppelmanns Armen.
    Die vier Paare verließen das Kino als letzte und waren einstimmig der Meinung, daß ein kleiner Spaziergang nicht schaden könne. Die Gemeinsamkeit hatte nun ein Ende; paarweise gingen sie in verschiedenen Richtungen davon. Helmut kam zu einem Stapel Kisten, den sie morgens abgeladen hatten.
    Etwas beklommen war ihm zumute, als er in völliger Dunkelheit neben einer jungen Frau saß, die er erst vor neun Stunden kennengelernt hatte. Bisher war alles planmäßig verlaufen. Würde es auch weiterhin gut gehen? Würde er sich seiner Aufgabe gewachsen fühlen, ein

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