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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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Mann zu sein?
    Es ging altes gut. Heidemarie umarmte ihn fest, und bei dem entscheidenden Augenblick, vor dem er große Angst hatte, half sie ihm durch eine geschickte Bewegung ihres Körpers. Er fühlte sich nun bestätigt. Insgesamt aber war es nicht das, was er sich in seinen Träumen unter der echten Liebe vorgestellt hatte.
    Helmut brachte seine Freundin bis an die Tür der Wohnbaracke. Prasse und Erna standen schon dort, und bald erschienen auch die übrigen Paare. Die Nacht war kalt, und so fiel der Abschied kurz aus.
    In flottem Schritt marschierten die jungen Männer nach Eckdorf zurück. Der lange Weg, den sie oft verflucht hatten, erschien ihnen heute beinahe angenehm. Natürlich sprachen sie über das Erlebnis. Alle waren an das heißersehnte Ziel gekommen.
    Für den nächsten Sonnabend hatte Prasse mit Erna eine Konditorei in der Kreisstadt als Treffpunkt ausgemacht. Erna sollte Kinokarten besorgen. Die drei Freunde waren bedrückt; in der Aufregung hatte keiner von ihnen an eine Verabredung gedacht. Prasse beruhigte sie; natürlich galt der vereinbarte Termin für alle Paare.
    Pünktlich langten sie nachts am Lagertor an. Rutsche hatte Wache. Die vier machten eine Ehrenbezeigung, die er eine Spur zu lässig fand, und so mußten sie noch einige Runden um den Hof traben.
    Am anderen Morgen war Exerzierdienst angesetzt. Gerhard hatte seine Gedanken nicht beisammen und klappte zweimal nach. Rutsche jagte ihn über die Eskaladierwand. «Ihr Milchbärte!» schrie er. «Aus euch machen wir hier noch richtige Männer!»
    Das war die reine Wahrheit. Heinz Apelt, der sich noch immer nicht beherrschen konnte, feixte so unverschämt, daß Rutsche ihm eine Sonderbehandlung auf dem frischgepflügten Acker verpaßte. Merkwürdig, das machte Heinz gar nichts aus. Rutsche hätte ihn stundenlang schleifen können. Auch der langweilige Dienst war nun leichter zu ertragen.
    Auf dem Heimweg wurde ein Lied angestimmt. Die vier sangen mit, so laut sie konnten. Rutsche, der kräftigen Gesang liebte, schaute sich wohlgefällig nach ihnen um.
    Die Stubenkameraden trafen sich regelmäßig mit ihren Freundinnen. Beim ersten mal hatten Schnaps - Kino - Liebe auf dem Plan gestanden, beim zweitenmal Konditorei - Kino - Liebe, beim dritten mal nur Kino und Liebe. Dann fielen die erstgenannten Punkte mitunter ganz fort.
    Über die Dauer ihrer Beziehungen machten sie sich keine Gedanken. In gängigen Liedern wurde die flüchtige Soldatenliebe besungen. Wenn sie auch sonst vom Arbeitsdienst nichts hielten, in dieser Hinsicht fühlten sie sich schon als richtige Soldaten.
     
    Anfang November wurden die Mitglieder des Flottenvereins auf die Schreibstube gerufen: Ein Telegramm von der Bildungsinspektion der Kriegsmarine beorderte sie zur Aufnahmeprüfung nach Stralsund.
    Durch Leutnant Tetzlaff waren sie über den Ablauf der Prüfung im Bilde, und so fuhren sie gefaßt und wohlpräpariert an die Ostsee.
    Die geistigen Anforderungen waren gering. Ohne Anstrengung lösten sie eine quadratische Gleichung, zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten und fünf kleine Aufgaben, die im Kopf ausgerechnet werden mußten. Das Aufsatzthema «Darwinismus und Lamarckismus» hatten sie ausführlich in der Schule behandelt.
    Schwieriger war der mündliche Vortrag. Jeder sollte zehn Minuten über ein selbstgewähltes Thema sprechen, wobei es den Prüfern weniger auf den Inhalt als auf die Redegewandtheit der Bewerber ankam. Das war natürlich für den Flottenverein eine willkommene Gelegenheit, mit Spezialkenntnissen aufzuwarten.
    Apelt sprach über «Konstruktionsprinzipien bei Flugzeugträgern». Sein Wissen schöpfte er aus der Veröffentlichung eines Marineoberbaurats. Bedauerlicherweise mußte Apelt sich auf die Theorie beschränken, denn der einzige deutsche Flugzeugträger, «Graf Zeppelin», war noch immer nicht in Dienst gestellt.
    Gerber verbreitete sich über das britische Flottenbauprogramm in der zweiten Lord-Fisher-Ära. Damit fand er besonderen Anklang. Den projektierten Schiffen konnte man ohne weiteres ansehen, daß Lord Fisher bei der erneuten Übernahme seines hohen Amtes im ersten Weltkrieg bereits geisteskrank gewesen war.
    Koppelmann wählte den «Einfluß der deutschen Panzerschiffe auf die Problemstellung der britischen Flottenmanöver der Vorkriegszeit». Das war kein so guter Griff. Die Versenkung der «Bismarck» lehrte, daß Großbritannien aus diesen Manövern die entsprechenden Schlußfolgerungen gezogen hatte.
    Alle drei erhielten

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