Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
Vom Netzwerk:
hatte es noch nie geklungen.
    Geilsdorf schob als Ausbilder eine verhältnismäßig ruhige Kugel. Mancher, der mit ihm Zerstörer gefahren war, zählte längst nicht mehr zu den Lebenden. Er dagegen hatte einen Posten ergattert, den er nach Möglichkeit bis Kriegsende behalten wollte. Schließlich sollte er den Klempnerladen seines Vaters übernehmen. Er gab sich Mühe, nicht aufzufallen und seinen Männern etwas Vernünftiges beizubringen. Das war die beste Sicherheit gegen eine Strafversetzung.
    Geilsdorf hielt auf ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Schülern. Es war schon vorgekommen, daß jemand aus Rache bei der Schlußprüfung in einem Fach absichtlich alles falsch machte, um den Ausbilder hereinzulegen. Davor hatte Geilsdorf eine Heidenangst.
     
    Abschiedsabend. Die Besichtigung war glücklich überstanden. Helmut dachte an Stralsund. Acht Wochen lag das nun zurück. Auch Heinz Apelt mußte inzwischen an der Front sein, und Gerber war vielleicht schon befördert.
    Es gab reichlich zu trinken: holländischen Genever, französischen Rotwein, bulgarische Zigaretten, polnischen Schnaps. Fast aus jedem Lande Europas kam irgendein Beitrag zu dieser Feier. «Natürlich ganz freiwillig», sagte ein Maat. Alle lachten. Die Wehrmacht hatte Europa fest unter dem Stiefel. Neue Vorstöße im Osten füllten die Sondermeldungen. Der Tonnagekrieg im Atlantik wurde davon ein wenig verdunkelt, wie Helmut bedauernd feststellte.
    Torpedomaat Geilsdorf war nicht mehr in der Lage, seine Geschichten aus Norwegen zum hundertsten Male vorzutragen. Er hatte zu schnell getrunken. Andere Erzähler traten an seine Stelle. In dem allgemeinen Lärm konnte Helmut lediglich Bruchstücke verstehen.
    «...zeitweise nur drei Boote im Atlantik ... Von Wilhelmshaven aus, riesiger Anmarschweg ... Die meisten Boote zur Ausbildung abkommandiert ... Feuert unser Alter aus großer Entfernung einen Fächer auf das Geleit. Kein Treffer! Dasselbe noch einmal. Alle Torpedos verheizt, nichts getroffen! Hat ihm Dönitz den Arsch bis zum Stehkragen aufgerissen. Drillt heute Rekruten auf einem Steinkreuzer...»
    Andere mischten sich ein: «Lagen vor dem Fjordeingang. Irgendwann mußte der Tommy ja kommen. Läuf uns ein Dickschiff direkt vor die Rohre. Glaube, es war die . Drei Torpedos, alle Versager. Diese Bullen haben uns da einen Mist unter den Arm gedrückt ... Tiefenläufer! Die Magnetzündung haute überhaupt nicht hin ... Hat Monate gedauert, bis die Sache wieder einigermaßen stimmte. Ungefähr zwei Drittel aller Torpedos waren Versager. Bei den Admirälen mehr als zwei Drittel ... »
    Zum Glück hatte das keiner der Offiziere gehört. Derartige Äußerungen waren nicht ungefährlich.
    «Steht im Gekados-Befehl, darf ich eigentlich nicht erzählen... Sunderlands gucken jetzt mit irgend so einem Gerät durch die Wolken. Sehen jedes U-Boot. Mensch, da werden uns die Tommies aber hochnehmen... Jaja, die guten Zeiten sind vorbei. Paßt mal auf, wie viele Boote wir verlieren, so bis Weihnachten...»
    Helmut wurde unsicher. Stand es tatsächlich so schlimm, oder war das nur Gequatsche, im Suff dahingesagt?
     
    Aus den Teilnehmern des Lehrganges wurden komplette Bootsbesatzungen zusammengestellt. Ihre Offiziere und einige Maate kamen zur gleichen Zeit von anderen Lehrgängen. Sie trafen sich in der Werft, um dort ein nagelneues Boot zu übernehmen und es nach kurzen Probefahrten in die Häfen von Frankreich oder Norwegen zu überführen.
    Innerhalb von zwei Tagen war die Mehrheit der Lehrgangsteilnehmer bereits abkommandiert. Jedesmal herrschte große Spannung, wenn die Liste der Namen verlesen wurde. Koppelmann war nie dabei. Er konnte sich schon ausrechnen, daß der Rest für eine komplette Besatzung nicht mehr reichte.
    Das kleine Häuflein der Übriggebliebenen wurde in die Schreibstube bestellt und bekam seine Papiere. Marschziel:Hafen Lorient. Dort sollte die Verteilung auf verschiedene Boote erfolgen.
    Koppelmann war maßlos enttäuscht. Flottillenreserve? Da hatte er sich nun Wochen hindurch angestrengt, konnte eines der besten Abschlußzeugnisse vorweisen, und man behandelte ihn als Lückenbüßer. Am meisten ärgerte ihn, daß er die lange Fahrt mit der Bahn machen mußte, während die anderen in ihren schönen neuen Booten kriegsmäßig abrauschten.
    Lorient an der bretonischen Küste. Von dort waren schon kurz nach der Besetzung Frankreichs deutsche U-Boote auf Jagd gegangen. Nicht weit davon, nur hundertvierzig Kilometer

Weitere Kostenlose Bücher