Irrfahrt
Vorgesetzten. Der I WO hatte seine Ausbildung noch in Friedenszeiten erhalten. Jetzt war vieles verwässert.
Zur Besatzung gehörte auch Bootsmaat Schwarz, den Koppelmann in den ersten Tagen aber nicht zu sehen bekam, da er gerade einen Sonderlehrgang besuchte. Vor Schwarz war Koppelmann gewarnt worden.
Als der Bootsmaat eintraf, verwickelte er Koppelmann sofort in ein längeres Gespräch. Helmut merkte bald, daß der Maat keine geistige Leuchte war. Mit seinem berühmten Namensvetter Berthold Schwarz, dem Erfinder des Schwarzpulvers, war er bestimmt nicht verwandt.
Schwarz lernte mit Eifer Suaheli. Seine freien Stunden verbrachte er über einem abgegriffenen Wörterbuch. Außerdem hatte er sich ein dickes Handbuch der tropischen Landwirtschaft besorgt; die Kapitel «Kaffee» und «Sisal» wußte er fast auswendig. Als er hörte, daß Koppelmann auf die höhere Schule gegangen war, erkundigte er sich nach der Aussprache verschiedener lateinischer Namen von Käfern und Wanzen, die an den Kaffeestauden als Schädlinge auftraten.
Schwarz hatte die unwiderrufliche Absicht, nach Kriegsende in der ehemaligen und zweifelsohne wieder zukünftigen deutschen Kolonie Ostafrika als Pflanzer von Kaffee und Sisal ein Vermögen zu erwerben. Nur konnte er sich zwischen den beiden in Betracht gezogenen Kulturpflanzen nicht entscheiden. Natürlich hatte keiner auf dem U-Boot eine Ahnung von der afrikanischen Landwirtschaft. Trotzdem befragte Schwarz beharrlich einen jeden um seinen Rat.
«Was meinen Sie», wollte er von Koppelmann wissen, «soll ich Kaffee oder Sisal anbauen?» Koppelmann versuchte auszuweichen, doch der Bootsmaat bedrängte ihn hartnäckig. «Kaffee», sagte Koppelmann aufs Geratewohl. Umständlich setzte ihm Schwarz auseinander, welche Gefahren damit verbunden waren. Er legte eine Liste von Krankheitserregern und Schädlingen vor. Man konnte sich nur wundern, daß in der Welt überhaupt noch Kaffeebohnen geerntet wurden. Dann zeigte er seinem Gesprächspartner lange Tabellen, aus denen die Schwankungen der Weltmarktpreise hervorgingen. Nach einer Viertelstunde war Koppelmann fest überzeugt, daß eine Kaffeepflanzung der sichere Ruin des künftigen Kolonialpioniers sein müßte.
«Dann pflanzen Sie eben Sisal», meinte Koppelmann schließlich. Sofort entwickelte Schwarz neue gewichtige Bedenken. Mit Fasern riskiere man zwar am wenigsten, aber dafür sei die Verdienstspanne erheblich geringer. Außerdem brauche die Anlage einer Sisalpflanzung viel Zeit; in den ersten Jahren könnte überhaupt nichts geerntet werden. Aus diesen und anderen triftigen Gründen wäre der Anbau von Sisal ein fragwürdiges Unterfangen.
«Pflanzen Sie doch beides. Eine Hälfte Kaffee und eine Hälfte Sisal», schlug Koppelmann vor. Der Bootsmaat war diesem Vorschlag in keiner Weise zugänglich. Eine solche gemischte Pflanzung erfordere weit mehr Kapital, als er aufbringen könne. Außerdem sei zu jeder Zeit mindestens der Preis für ein Produkt so niedrig, daß die Hälfte der Plantage für ihn ein glattes Verlustgeschäf werden müßte. Nein, er müsse sich klar entscheiden, entweder Kaffee oder Sisal.
Dann ging Schwarz zum nächsten Thema über. Koppelmann sollte sich dazu äußern, ob dreißigtausend Mark für eine größere Pflanzung ausreichten. Koppelmann bejahte auf gut Glück.
Sofort brachte Schwarz eine Latte von Argumenten vor, die dagegen sprachen. Jeder an Bord kannte sie bereits. Dreißigtausend seien viel zuwenig, aber mehr betrage sein mütterliches Erbteil nicht. Er hatte sich bei einschlägigen Firmen bereits nach den Kosten des Maschinenparks erkundigt.
Schwarz ging nicht mit zu den Mädchen, er trank nur selten, er lebte wie ein Spartaner. Jeden Pfennig trug er auf die Sparkasse. Koppelmann hatte Mitleid mit ihm und behauptete, dreißigtausend Mark wurden bestimmt reichen. Aber der Bootsmaat blieb stur bei seiner Ansicht.
«Schwarz spinnt zwar ein bißehen, aber sonst ist er ganz in Ordnung», sagten die Lords von ihm.
Helmut Koppelmann wurde mit einem Sonderauftrag betraut. Der II WO hatte vom Kommandanten das «Taschenbuch der Handelsflotten» erhalten; er sollte Nachträge und Berichtigungen anbringen. Für diese langweilige Arbeit war der Leutnant natürlich viel zu faul. Also beauftragte er nach bewährtem Rezept einen jungen, intelligenten Matrosen. Er befahl Koppelmann, jeden Vormittag fleißig an der Arbeit zu sitzen.
Helmut erkannte bald, daß er damit das Große Los gezogen hatte. Die
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