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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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passieren. Zum Abschied gab er ihnen einen langen Winkspruch mit auf den beschwerlichen Weg.
    In verschiedene Himmelsrichtungen strebten die Boote auseinander; bald war die Fühlung zwischen ihnen verlorengegangen.
    Der Matrose Helmut Koppelmann hockte im Bauch des sanft schlingernden Bootes. Seine zahlreichen Schrammen und Beulen spürte er nicht. Er hielt diesen 18.Juli 1942 für den glücklichsten Tag in seinem bisherigen Leben.

 
    6. Kapitel
    Die merkwürdige Flußfahrt
    Heinz Apelt hatte die Ausbildung auf der Marineflakschule in Husum als Bester absolviert. Der Kompaniechef machte sein Versprechen wahr. «Für Sie habe ich ein besonderes Kommando, eigentlich für einen Obergefreiten gedacht. Erweisen Sie sich der hohen Auszeichnung als würdig, Matrose Apelt!»
    Heinz strahlte. Die Anstrengung hatte sich also gelohnt. Klar, daß der Lehrgangsbeste auch das wichtigste Kommando erhielt.
    Etwas kleinlaut wurde er, als ihm der Spieß die Marschpapiere übergab: Schnellbootflottille, Meldung in Kiel. Apelt hatte mit einer Kommandierung nach Frankreich oder Norwegen gerechnet. In der Ostsee war doch nichts los!
    Der Spieß beruhigte ihn: «In Kiel steigen Sie nur ein. Alles Weitere erfahren Sie dort. Ganz große Sache! Und nun beeilen Sie sich, die Flottille wird verlegt...»
    In Kiel zuckte man auf allen in Betracht kommenden Schreibstuben die Schultern. Apelts Einheit war vor zwei Tagen ausgelaufen. «Order streng geheim», flüsterte ihm ein Verwaltungsfeldwebel zu. Nach zeitraubenden Bemühungen gelang es, das Fahrtziel der Flottille zu ermitteln: Brunsbüttel, an der elbseitigen Ausfahrt des Nord-Ostsee-Kanals. Es dauerte einen halben Tag, bis man neue Marschpapiere ausgestellt hatte. Bei einem Küchenbullen erbettelte sich der hungrige Apelt einen Schlag warmes Essen.
    In Brunsbüttel begann die Fragerei von neuem. Niemand wußte etwas. «Hier waren schon seit zwei Jahren keine Schnellboote mehr,» sagte ein freundlicher Verwaltungsoffizier. Das Fenster seines Arbeitszimmers ging direkt auf den Hafen. Ein Verband Schlepper, mit Zivilisten bemannt, lag an der Pier. Von S-Booten nicht die geringste Spur.
    Heinz war entschlossen, nach Kiel zurückzufahren und sich zu beschweren. Wie konnte man ihn zu einer Einheit schicken,die überhaupt nicht existierte?
    Der freundliche Offizier, ein Kapitänleutnant, hatte Mitleid mit dem jungen Matrosen. Er erklärte sich bereit, mit Kiel zu telefonieren und Auskunft einzuholen. Indessen wartete Apelt voller Zorn und Ungeduld im Vorzimmer. Endlich rief ihn der Kapitänleutnant herein. Er schmunzelte und sagte mit einem Augenzwinkern: «Sehen Sie den Schlepperverband? Dort steigen Sie ein! Der nimmt Sie mit nach Wilhelmshaven.»
    Heinz begriff nicht, was er auf einem Schlepper sollte. Noch weniger begriff er, warum der Kaleu so schmunzelte.
    Als er an die Pier kam, waren die Schlepper gerade ausgelaufen. Und wieder zermürbendes Warten in Schreibstuben, vage Vertröstungen. Apelt knurrte der Magen. Nach langem Palaver gab ihm der Fourier eine Kochwurst, die nicht mehr ganz frisch war, und ein hartes Kommißbrot. Abends saß er im Zug.
    Auch in Wilhelmshaven war von Schnellbooten weit und breit nichts zu entdecken. In den Marinehafen wollte man ihn nicht hineinlassen. Der Bootsmaat am Hafentor fauchte ihn an: «Sie können wohl nicht lesen! Brunsbüttel steht auf Ihrer Kommandierung. Schnellboote ham wa nich, Sie blöder Spund! Nu aber raus!»
    Am nächsten Tor hatte er mehr Glück. Der Posten ließ ihn wenigstens passieren. Wie ein Ausgestoßener irrte er an Schleusen und Hafenbecken entlang, stolperte über Schienen, wurde von Offizieren angefahren, die er mit seinem schweren Seesack auf dem Rücken nicht stramm gegrüßt hatte. Seinem Ziel war er um kein Stück näher gekommen.
    Den ganzen Tag fragte er sich durch Schreibstuben, immer vergebens. Keiner fühlte sich zuständig. Schließlich griffen ihn die Feldgendarmen. Sie waren fest davon überzeugt, einen Agenten erwischt zu haben, der im Kriegshafen spionieren wollte. Apelt wanderte in den Bau.
    Erst am nächsten Morgen wurde er zur Vernehmung vorgeführt. Er schilderte, wie es ihm in den letzten Tagen ergangen war. Ungläubig notierten die Feldgendarmen seine Angaben. «Wir sind schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden», sagte ein Stabsfeldwebel am Schluß. «Jetzt wird erst einmal nachgeprüft, was an Ihrer Geschichte überhaupt wahr ist.»
    Nach zwei Tagen hatte sich alles aufgeklärt. Die Kettenhunde waren um

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