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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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«Alle Mann voraus!» Wildes Hasten und Laufen. Alle, die abkömmlich waren, mußten in den Bugraum, um das Boot vorn schwerer zu machen und sein Tauchmanöver zu unterstützen. Koppelmann stieß sich am Schott zur U-Messe den Kopf, irgend jemand bohrte ihm das Knie in die Rippen, so daß er zu Boden ging.
    Noch ehe das Boot von der Oberfläche verschwunden war fielen die Bomben. Sie detonierten auf Backbordseite dicht neben dem Turm. Ächzend bog sich der lange Bootskörper und vibrierte so stark, als müßte er jeden Augenblick auseinanderbrechen. Aber das Druckrohr hielt. In die Zentrale schoß ein armdicker Strahl Wasser. Ein Sprengstück hatte das Boot leck geschlagen.
    Und noch einmal grif f das Flugzeug an, doch die Bomben lagen weit oberhalb des Bootes.
    Mit Eifer wurde versucht, das große Leck abzudichten. Es befand sich an einer schwer zugänglichen Stelle. Bis zum Schott stand inzwischen das Wasser. Die Mechaniker arbeiteten kniend. Erst als die Schweißbrenner eingesetzt wurden war die Gefahr halbwegs behoben.
    «Auf Tiefe gehen können wir mit unserem angeschlagenen Boot nicht mehr», sagte der Ingenieur zu Thieme. «Wir müssen froh sein, wenn die provisorische Sicherung bis Lorient hält.»
    Zwei Stunden schlich das Boot unter der Wasseroberfläche entlang. Immer wieder fuhr Thieme sein Periskop aus und beobachtete mißtrauisch den Himmel. Obwohl nichts zu sehen war, bestand durchaus die Möglichkeit, daß die Catalina irgendwo in der Nähe lauerte. Mit ihrem Radar konnte sie durch die Wolken hindurch die Oberfläche beobachten und erst anfliegen, wenn das Boot aufgetaucht war.
    Endlich entschloß sich Thieme und ließ das Boot auftauchen. Ganz allein betrat er die Brücke. Angespannt lauschte er auf die Geräusche in der Luft; die Maschinen hatte er für kurze Zeit abstellen lassen. Nichts! Die Catalina war verschwunden.
    Ohne Gefahr konnte die Brückenwache aufziehen. Vier Mann standen auf der Brücke, immer sprungbereit. Das Boot befand sich noch im Bereich der amerikanischen Luftaufklärung. Höchste Aufmerksamkeit wurde gefordert. Bei dem lauten Wummern der Dieselmotoren und anderer Aggregate waren Flugzeuggeräusche nicht zu unterscheiden. Nur auf das Auge konnte sich die Brückenwache verlassen.
    Die Ablösung des Beobachtungsflugzeuges kam eher, als die Männer erwartet hatten. Schon lange war ihnen ein verdächtiges Nebengeräusch aufgefallen, aber sie hatten es nicht gemeldet und auch nicht sicher orten können.
    Aus achterlicher Richtung stieß die Maschine herab und eröffnete sofort das Feuer. Koppelmann schaffte es gerade noch aber Bootsmann Huhn bekam einen Splitter in die Hand, als er schnell in den Turm rutschte. Im Fallen sah Huhn, wie die beiden anderen Männer unter dem Hagel der Splitter zusammenbrachen. Für eine Hilfe war es zu spät. Das Turmluk wurde verschraubt.
    Mit zusammengebissenen Zähnen gab Thieme seine Kommandos. Keiner sagte ein überflüssiges Wort. Die Männer mußten an die Toten denken, die jetzt irgendwo über ihnen schwammen. Ein Unglückstag.
     
    Als die Dämmerung niedersank, war das Boot vor den Flugzeugen relativ sicher. In Überwasserfahrt konnte es glücken, bis zum nächsten Morgen aus dem Bereich der Luftabwehr herauszukommen.
    Die Brücke wurde genauer untersucht. Die Splitter hatten Kratzer und Beulen verursacht. An mehreren Stellen war die Brückenverkleidung durchschlagen. Scharfe Kanten an den Einschußlöchern bildeten eine ständige Gefahrenquelle.
    Die Stimmung an Bord war sehr gedrückt. Immer wieder kam das Gespräch auf die bei den Toten. «Sie haben nicht viel gemerkt, es war eine Sache von Sekunden», sagte Berger. «Denken Sie an die Leute auf dem Tanker. Einen so qualvollen Tod wünsche ich niemandem.» Es hätte auch mich treffen können, dachte Koppelmann.
    In Marschfahrt zog das Boot in Richtung Biskaya. Aus den Funkmeldungen war zu entnehmen, daß an verschiedenen Stellen des Atlantiks wieder Geleitzugschlachten vorbereitet wurden. Erleichtert stellte die Besatzung fest, daß alle Operationen genügend weit vorn eigenen Standort entfernt waren. Es bestand kaum Aussicht, jetzt noch irgendwohin zur Verstärkung abkommandiert zu werden. Die Männer waren am Ende ihrer Kräfte. Sogar Thieme mußte das zugeben.
    Er verkroch sich in sein winziges Kommandantenschapp, um die Berichte vorzubereiten. Wenige Tage nach der Rückkehr würde er dem BdU, dem «alten Löwen», gegenüberstehen. Thiemes Gefühle waren gemischt, sobald er an den

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