Irrfahrt
auch diesmal Glück gehabt. Andere Boote meldeten Verwundete. Ein Fahrzeug war durch Maschinengewehrgarben schwer beschädigt und machte Wasser. Zwei Rottenknechte gingen bei ihm längsseits. Unterfangstander und Lecksegel wurden klargemacht, ein Schiffszimmermann begab sich an die Arbeit. Doch der Schaden war nicht zu beheben. Als das Boot tief im Wasser lag, erteilte Kapitänleutnant Kruse schweren Herzens den Befehl, daß die Besatzung überstieg. Der Havarist mußte zurückgelassen und mit einem Zeitzünder gesprengt werden. Bis zum Zielhafen hätte er es nicht mehr geschafft.
Die Flottille hatte nun schon drei Boote verloren.
Der Anlaufort war ein kleiner Hafen an der Südwestküste Siziliens. Auf den ersten Blick unterschied er sich nur wenig von anderen italienischen Küstenstädten: Fischerboote, weiße Häuser mit flachen roten Dächern, hochaufragende Kirchtürme, graugrüne Olivenhaine und sattgrüne Gärten, in denen Apfelsinen und Zitronen in verschwenderischer Fülle gediehen.
Porto Empedocle hieß das Städtchen. Als die Boote festmachten, bemerkten die Männer einen unangenehm stechenden Geruch. Alles in der Umgebung war mit einer gelblichen Staub schicht bedeckt. Der italienische Verbindungsoffizier erklärte ihnen, daß Porto Empedocle vor dem Krieg als Ausfuhrhafen für Schwefel eine wichtige Rolle gespielt hatte. Jetzt stapelte sich das Landesprodukt im Hafen; die Möglichkeiten zum Abtransport waren sehr beschränkt.
An der Pier standen verschlossene, auffällig mit Tarnfarbe getünchte Güterwagen. «Die enthalten sicher etwas Besonderes, sonst hätte man sich nicht soviel Mühe gegeben», meinte Heinisch. Seine Vermutung stimmte. In den Waggons waren schwarzgraue Eisenkugeln auf kleinen Radgestellen: Ankertauminen.
Es dauerte mehrere Stunden, bis alle Boote diese Teufelseier übernommen hatten. ApeIt begriff jetzt, warum sie einen Sperrmechaniker an Bord hatten.
Abends fand eine kurze Besprechung der Kommandanten statt. Mit geschwellter Brust kehrte Harms zurück; er hatte den schwierigsten Auftrag erhalten. Die Motoren waren schon warmgelaufen, die Boote legten ab. Jeder konnte sich denken, wohin die Fahrt ging. Von Cap Passero, der Südspitze Siziliens, waren es nur sechzig Seemeilen bis Malta.
Bei der leichten See bewältigten die Boote diese Strecke in knapp zwei Stunden. In der Dunkelheit lag sie vor ihnen, die waffenstarrende Inselfestung. Mehrmals hatte sie fast sturmreif darniedergelegen. Anfang Mai 1942 meldete der FIiegergeneral Loerzer siegesgewiß: «Malta als Flotten- und Luftstützpunkt völlig ausgeschaltet!» Doch Malta erholte sich wieder. Die Engländer waren zäh. Auch die verlustreiche Geleitzugschlacht im August konnte sie nicht entmutigen.
Die Flottille näherte sich mit geringer Fahrstufe dem Hafen La Valetta. Im Nachtglas waren der Molenkopf, eine riesige Brücke und Geschützrohre zu erkennen. Die Entfernung betrug höchstens zweitausend Meter. Kruse hatte befohlen, die Minen möglichst dicht vor die Hafeneinfahrt zu legen.
Das Boot von Leutnant Harms war am weitesten vorn. Minen legte er zum erstenmal. Für andere Einheiten war das eine Routinesache. La Valetta wurde schon zwei Jahre lang vermint. Die britischen Minensucher hatten ständig zu tun, die Einfahrt halbwegs frei zu halten. Um so erstaunlicher, daß sich nichts rührte. Schlief der Tommy?
Als der Sperrmechaniker die scharfen Zünder einsetzte, dachte Harms: Wenn uns jetzt eine Maschinenkanone auf der Mole unter Feuer nimmt, fliegen wir alle in die Luf t ...
Doch es blieb still.
Viele Hände packten zu. In regelmäßigen Abständen, genau nach der Stoppuhr, wurden die schwarzen Kästen über den Spiegel gerollt. Erleichtert atmeten die Männer auf, als die letzte Mine ins Wasser kippte.
Kurz vor Sonnenaufgang lief die Flottille vollzählig und unbeschädigt wieder in den Schwefelhafen ein. Leutnant Harms glaubte fest daran, daß nun ihre Glückssträhne begann.
Heinz Apelt war ein wenig stolz auf sich. Zum erstenmal hatte er eine richtige Feindfahrt mitgemacht. Zwar fiel dabei kein Schuß, aber ein erhebendes Gefühl war es doch.
In der Mittagspause schrieb er einen langen Brief an Helmut Koppelmann und einen kürzeren an Gerhard Gerber. Endlich konnte er etwas Interessantes mitteilen. An dem Abschuß der Spitfire war er ja auch ein bißehen beteiligt.
Zwei Tage danach kündigte sich der nächste Einsatz an. Die Lords besaßen ein untrügliches Gefühl dafür. Torpedos wurden an Bord
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