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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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gebracht, und Frase hatte mit seinen Helfern alle Hände voll zu tun, um sie nachzuregeln.
    Schon am Nachmittag liefen die Boote aus. Harms befahl volle Kriegswache und verstärkten Ausguck. Unerbittlich knallte die Sonne herab. Auf See gab es kein weißes Sonnensegel, das gegen die Strahlung Schutz bot. Wer mit nackten Armen und Schultern an der Kanone stand, hatte trotz Einölen bald einen Sonnenbrand.
    Als die Sonne sank, war noch immer kein Flugzeug in Sicht gekommen. Offenbar brauchte der Tommy seine Aufklärer anderswo.
    Fast übergangslos breitete sich tiefschwarze Nacht aus. Das Meer lag beinahe spiegelglatt, kein Lüftchen regte sich. Ideales Wetter für Schnellboote!
    Kurz vor Malta wurden die Motoren abgestellt. In einem weiten Bogen lagen die Fahrzeuge auf der Lauer. Die Luftaufklärung hatte in den letzten Tagen mehrfach Einzelfahrer beobachtet, die La Valetta ansteuerten. Irgendwann mußten sie ja wieder herauskommen. Man vermutete, daß die Briten einen Geleitzug zusammenstellten.
    Die Hafeneinfahrt war nicht sehr weit entfernt. Scheinwerfer huschten gelegentlich über den schwarzen Himmel und suchten Flugzeuge. Ab und zu stieg eine Leuchtrakete hoch; sie verbreitete sekundenlang einen flackernden, gelblichen Schein.
    An Bord durfte nur geflüstert werden. Sobald auf dem Nachbarboot, das mehr als tausend Meter Abstand hatte, jemand laut sprach, konnten die Männer einzelne Wörter verstehen. Geradezu unheimlich, wie weit die Stimme eines Menschen über das stille Wasser trägt.
    Gegen Mitternacht wurde es lebendig. In einem ungeordneten Haufen kamen mehrere Fahrzeuge aus dem Hafen. Sie waren immer nur dann zu sehen, wenn an Land eine Leuchtgranate aufflammte. Ein kleinerer Dampfer lief mit höchster Fahrtstufe. Stoßweise traten ganze Funkenbüschel aus seinem Schornstein.
    Der Schiffsverband rannte den Schnellbooten genau in die Arme.
    An Bord herrschte angespannte Stille. Längst waren die Klappen von den Torpedorohren entfernt, die Preßluf war eingepumpt, mit einem Druck auf den Knopf konnte jeden Augenblick die gefährlichste Waffe der Boote in Bewegung versetzt werden.
    Der funkenspeiende Dampfer näherte sich. Eine Zeitlang glaubten die Männer, er liefe direkt auf sie zu und wolle zum Rammstoß ansetzen. Aber von seiner Brücke waren die niedrigen, geduckten Schnellboote bestimmt nicht zu sehen.
    Heinisch verfolgte den ahnungslosen Dampfer mit dem Peilaufsatz: Dampfer in 90 Grad, Dampfer in 88 Grad, in 85 Grad ... Langsam wanderte der Funkenspucker weiter. Er warf eine hohe Bugwelle auf, deren blaßgrüner Schaumkamm in der Nacht gespenstisch leuchtete. Falls er seinen Kurs beibehielt, mußte er knapp am Boot vorbeilaufen.
    Die Entfernung betrug noch reichlich zweihundert Meter. Ohne die Stimme zu heben, befahl der Leutnant: «Torpedo ...los!» Fauchend schoß der schlanke Aal aus dem Rohr und klatschte aufs Wasser. Einen Augenblick waren die Männer starr vor Schreck. Nach der stundenlangen Stille kam ihnen das Geräusch unnatürlich laut vor. Das Fauchen und Klatschen mußte man doch auf der Brücke gehört haben! Aber unbeirrt zog der feuerspeiende Dampfer seine Bahn.
    Da stieg dicht hinter der grünleuchtenden Bugwelle eine blasse Fontäne hoch. Treffer! Ein schriller Ton war zu hören, der in einen scharfen Knall überging.
    Gestoppt lag der alte Dampfer vor dem Bug des Schnellbootes. Taschenlampen blitzten an Deck auf, im Steuerhaus wurde ungeniert Licht gemacht. Dann bimmelte die Alarmglocke. Ein Bootsmann fluchte in einer unverständlichen Sprache und trieb seine Besatzung zur Eile an. Ein Hund begann zu jaulen, Schotten wurden zugeschlagen.
    Wenig später kamen auch andere Boote der Flottille zum Schuß. Donnerschlag auf Donnerschlag hallte durch die Nacht. Die Wölfe waren in die Schafherde eingebrochen. Am östlichen Ende der Sperrkette loderten Flammen. Die Männer konnten nicht erkennen, wer dort getroffen war. Vielleicht ein Tankschiff, vielleicht aber auch ein Schnellboot.
    Harms ließ langsame Fahrt aufnehmen. Er wollte seinen torpedierten Dampfer vor den Feuerschein bringen, um den Schiffstyp zu ermitteln. Er taxierte auf etwa zweieinhalbtausend Tonnen. Aber die Beleuchtung war unsicher und das Deck schon schräg nach Backbordseite geneigt. Harms gab seine Bemühungen auf.
    Unterdessen hatten die Männer auf dem Dampfer begriffen, in welcher Lage sie sich befanden. Sie wollten ein Beiboot herunterlassen und begannen gerade mit dem Fieren, als der Dampfer sein Heck steil

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