Irrfahrt
gefeuerte Leuchtspur des Zerstörers. Frase verlor das Gleichgewicht und rutschte über Bord in das brodelnde Wasser. Der Zerstörer stand ganz in der Nähe, anders war die hohe Treffsicherheit seiner kleinen Waffe nicht zu erklären.
Heinz Apelt hatte sich etwas an das grelle Licht gewöhnt. Er schirmte seine Augen ab und sah nun deutlich die Mündungsfeuer des Gegners. Die Entfernung war schwer zu schätzen. Auf jeden Fall stand der Zerstörer steuerbord voraus. Heinz arbeitete sich zur Brücke vor, um seine Beobachtung zu melden, als die nächste Salve heranrollte.
Es gab einen Knall, der ihn für Augenblicke betäubte. Von einer gewaltigen Faust wurde er emporgehoben und auf die durcheinanderfliegenden Grätings des Geschützstandes geworfen.
Die Salve des Zerstörers hatte mittschiffs getroffen. Eine Granate war in der Maschine explodiert. Gurgelnd schoß Meerwasser in den Bootskörper.
«Schlauchboot klarmachen!» schrie Harms. Einige Männer sprangen über die niedrige Bordwand. Apelt war noch ganz benommen, kam aber wieder auf die Beine. Heinisch packte ihn an der Schwimmweste. Irgendwie fiel er ins Wasser und erwischte die Außenleine des Schlauchbootes. Leutnant Harms stand an der Reling. Er schaute sich noch einmal um. Niemand war an Deck zu sehen. Da sprang er.
Schwimmend schoben die Männer ihr kleines Rettungsfahrzeug vor sich her, um aus dem Bereich des untergehenden Bootes zu kommen. Sie waren vielleicht fünfzig Meter weit gepaddelt, als ihr Schnellboot sank. Sekunden später verlosch die letzte Leuchtgranate. Dunkelheit legte sich beklemmend auf die Schiffbrüchigen.
Harms fragte, wer am Schlauchboot wäre. Reihum nannte jeder seinen Namen: Bootsmaat Kern war dabei, Spindler, Heinisch und Apelt. Aus der Maschine war keiner mehr herausgekommen. «Noch jemand?» fragte Harms. Er erhielt keine Antwort.
Heinisch versuchte das Schlauchboot zu entern. Die anderen halfen ihm dabei. Es gelang nicht. Kaum legte er sich auf das Boot, sank es unter ihm weg. Zwei Zellen waren von Splittern getroffen, das übrige gab zuwenig Auftrieb. Die Männer mußten also im Wasser bleiben.
Minutenlang sprach niemand ein Wort. Heinz wollte das Leuchtzifferblatt seiner Uhr ablesen, aber sie war stehengeblieben. Das Wasser hatte seine Kleidung durchnäßt. Eine Weile spürte er noch eine große Luftblase auf seinem Rücken unter der Schwimmweste, doch mit der Zeit wurde sie kleiner und verschwand schließlich ganz. Er trug nur Hemd, leichte Hose, Segeltuchschuhe und die Schwimmweste. Damit fiel es ihm nicht schwer, sich über Wasser zu halten. Sein Körper war kräftig und sportlich durchtrainiert. Abwechselnd hielt er eine Hand an die Außenleine des Schlauchbootes, um den Kontakt zu den anderen nicht zu verlieren.
Endlos dehnten sich die Stunden. Dann wurde im Osten ein schmaler heller Streifen sichtbar, der sich allmählich verbreiterte. Freudig begrüßten die fünf Männer die aufgehende Sonne.
Harms ließ das Schlauchboot an die Untergangsstelle zurückrudern. Dabei spürte Heinz Apelt, daß seine Arme schon ziemlich steif geworden waren. Teile zerschossener Grätings schwammen umher, eine offene Munitionskiste trieb vorbei. Als Heinisch nach ihr faßte, kippte sie um und versank.
Bootsmaat Kern bemerkte einen gelben Fleck auf der Wasserfläche. Als die fünf näher kamen, sahen sie den Menschen in der Schwimmweste. Sein Kopf war untergetaucht. Harms ließ die Leine los und schwamm heran. Es war Frase. Er trug noch den Stahlhelm. Sein rechter Arm war zerfetzt. Offenbar war er bewußtlos ins Wasser gefallen und hatte nicht mehr die Möglichkeit gehabt, den schweren Helm loszuwerden.
Kleiderfetzen kamen in Reichweite der Männer am Schlauchboot, ein Schuh, eine abgerissene Hand. Sie war dick aufgequolIen, ein Trauring steckte am Finger. Heinz wandte sich ab. Diese Hand mußte dem Obermaschinisten gehört haben; er war als einziger an Bord verheiratet.
Die Sonne stieg höher. Anfangs wärmte sie angenehm, dann wurde sie lästig. Keiner hatte eine Kopfbedeckung. Heinz fror. Das Wasser war ihm zuerst nicht kalt vorgekommen, aber nach den vielen Stunden hatte es ihn völlig durchgekühlt. Unbarmherzig brannte die Sonne auf seinen Kopf. Er wagte nicht, ihn zur Erfrischung einmal kurz ins Wasser zu tauchen.
Heinz betrachtete seine Hände. Sie waren aufgedunsen und schwammig. Sobald er die Finger leicht gegeneinander rieb, lösten sich Hautfetzen. Der Schädel dröhnte ihm. Bei dem Sturz auf die Grätings hatte er
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