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Irrfahrt

Irrfahrt

Titel: Irrfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Grümmer
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hatte zu kurz geworfen. Die Abwürfe der zweiten Maschine lagen schon bedrohlich nahe. Sekundenlang war das Boot in einen grauen Gischtschleier gehüllt. Die dritte Lightning traf.
    So plötzlich, wie der Angrif f begonnen hatte, war er zu Ende. Nach der wütenden Knallerei wirkte die Stille geradezu unheimlich. Heinz Apelt spürte erst jetzt die Reaktion. Er war schweißgebadet. Seine Knie zitterten. Stinkende Qualmwolken benahmen ihm den Atem, denn Schloß und Lauf waren heißgeschossen. Frase streifte Asbesthandschuhe über und wechselte die Verschleißteile aus. «Steh nicht da wie die Kuh wenn's donnert», sagte er, «die leeren Munitionskisten müssen über Bord!» Heinz riß sich zusammen.
    Am Nachbarboot ging ein schwarzer Ball hoch. Es war leck und forderte Hilfe an. Heinz sah, daß der Bug unnatürlich tief eintauchte.
    Ein unbeschädigtes Boot ging bei dem Havaristen längsseits. Die Besatzung wurde übernommen, eine Kiste mit Akten über die Reling gereicht. Das getroffene Fahrzeug war nicht mehr zu retten. Bald nach dem Ablegen richtete es sein Heck steil auf und versank in der tiefen Bucht.
     
    Harms war mit seiner Besatzung sehr glimpflich davongekommen. Die Maschinengewehrgarbe hatte nur unbedeutende Spuren hinterlassen. Zwei Geschosse waren durch die Bordwand gedrungen. Nach langem Suchen fand man sie in einem Haufen Tampen, deformiert und bizarr geformt. Die Löcher waren nicht weiter schlimm; sie konnten in jeder Werf t mühelos abgedichtet werden.
    Andere Boote waren übler dran. Sie hatten Unterwasserschäden, teils durch Geschosse, teils durch Nahtreffer einzelner Bomben. Es gab einen längeren Signalwechsel zwischen Flottillenchef und Hafenverwaltung. Endlich kam der Befehl, in den Hafen einzulaufen. Hier waren sie durch Flakbatterien der Stadt und einiger Zerstörer gut vor Tieffliegern geschützt.
    Die beschädigten Boote mußten in die Werft. Die Nachricht löste allgemeine Begeisterung aus. Werftliegezeit war für die Besatzung eine faule Zeit. Ein paar Tage Neapel waren bestimmt nicht zu verachten. Man konnte den Lightnings geradezu dankbar sein.
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit lagen die Boote neben einer kleinen Reparaturwerf t an der Pier. Alle waren der Ansicht, daß genügend Grund zum Feiern vorlag: die lange Fahrt, der abgeschlagene Angrif f und selbstverständlich die bevorstehenden Tage. Schnaps und Bier kamen auf die Back. Die Maate setzten sich unaufgefordert mit ins Mannschaftsdeck. Sogar der Kommandant erschien.
    Spindler reichte ein Kästchen Zigarren herum. Kriegserinnerungen wurden ausgetauscht. Frase war mit einem Zerstörer abgesoffen, Spindler war Sperrbrecher gefahren. Zwei Mann kannten sich vom Kreuzer «Königsberg», der 1940 vor Bergen versenkt wurde.
    «Du hast heute deine Feuertaufe erhalten», sagte Heinisch zu Apelt. «Das muß extra begossen werden!» Daraufhin wurden drei neue Flaschen gebracht. «Die gehen natürlich auf deine Rechnung!»
    Heinz Apelt schluckte. Bei seinem niedrigen Sold konnte das ein hübsches Loch reißen. Feuertaufe! Wie of t hatte er sich den ersten Kampf vorgestellt: nächtlicher Torpedoangrif f auf ahnungslosen Gegner. Treffer, und noch ein Treffer! Aber so? Das war überhaupt kein Kampf, sondern nackte Verteidigung mit ungleichen Mitteln. Nicht eine Lightning hatten sie abgeschossen! Und da sprach der Kommandant von Erfolg... Heinz war sehr enttäuscht. Es kam immer alles ganz anders, als er gedacht hatte.
    Die drei Flaschen waren leer. Reihum wurde jeder aufgefordert, ein Lied zu singen. Meist genügte eine Strophe. «Hast's gut gemacht, hast's gut gemacht, drum wirst du auch nicht ausgelacht», antworteten die Zuhörer im Chor.
    Der Obermaschinist trug den «Hamburger Veermaster» vor, den alle gefühlvoll mitgrölten. Dann versuchte Frase sich am «Hein Mück aus Bremerhaven». In seiner schwäbischen Mundart klang der Text etwas eigenartig. Frase war schon ziemlich blau, er blieb zweimal stecken. Der fröhlichen Stimmung tat das keinen Abbruch.
    Der Steuermannsgast brachte das Lied vom «Käpt'n bye-bye aus Shanghai». Dieser ewig betrunkene Schiffseigentümer beendete den Verkehr - zuerst mit seiner Besatzung, dann mit seinen Freundinnen und schließlich mit allen Menschen. Das etwas anrüchige Lied traf haargenau den Geschmack der Männer. Sie klatschten laut, und der Rundreim kam dabei zum Erliegen.
    Heinz ApeIt konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Um seinen Kummer loszuwerden, hatte er zuviel Schnaps getrunken. Als

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