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Irrflug

Irrflug

Titel: Irrflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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werden versuchen, den Herrn Steinke ausfindig zu machen. Was aber, wenn uns das nicht gelingt?”
    „Das gelingt Ihnen”, erwiderte Rottler, „Sie sind doch der Oberbulle hier, oder? Ich will mit dem Giftzwerg reden. Sorgen Sie dafür, dass er ein Funkgerät kriegt. Denken Sie an das schöne Münster da unten. Und an meine Begleiterin. Ende.” Rottler lächelte krampfhaft zu Melanie hinüber. Ihr wurde das Vorgehen ihres Geliebten zunehmend suspekter. So energisch und brutal hatte sie ihn nie zuvor erlebt. Den Flug in ein neues Leben hatte sie sich anders vorgestellt. Sie zitterte und sie war außer Stande, etwas zu sagen.
    Rottler überflog die Spitze des Turmes.
     

35
    Der Streifenwagen mit Häberle hatte längst den gepflasterten Innenhof der Ulmer Polizeidirektion erreicht. Dort, abseits des plätschernden Brunnens, empfingen ihn die Führungskräfte, die sich sofort über das Gespräch mit Rottler informieren ließen, das sie an ihrem Funkgerät nicht hatten verfolgen können. Danach ordnete Häberle an, dass in Göppingen sofort Steinke ausfindig gemacht und ein weiteres Flugfunkgerät beschafft werden musste. Bei der Bereitschaftspolizei, da war er sich ziemlich sicher, musste eines aufzutreiben sein. Zumindest würde das Spezialeinsatzkommando (SEK) über eines verfügen. Dann konnte Steinke hoffentlich von dort aus mit Rottler sprechen. Von der Anhöhe des ›Rigis‹, einem Hügel innerhalb des ›Bepo-Geländes‹, auf dem sie vorhin gestartet waren, musste es möglich sein, auf der festgelegten Frequenz Kontakt bis zu der Cessna nach Ulm aufzunehmen. Vorsorglich wurde jedoch der Polizeihubschrauber nach Göppingen zurückbeordert, falls es notwendig werden würde, Steinke blitzartig nach Ulm zu holen.
     
    Häberle und die Führungskräfte eilten in den Lehrsaal. Dort stellte der Soko-Chef sein Flugfunkgerät auf die zusammengerückten Tische, um die herum sich ein halbes Dutzend Männer gruppierte, teilweise uniformiert. Einige von ihnen lehnten sich an die geöffneten Fenster. Für einen kurzen Moment schien es Häberle so, als mache sich Ratlosigkeit breit. Das Gefühl, mit gebundenen Händen dazustehen und einem Straftäter ausgeliefert zu sein, hatte sie selten zuvor derart beschlichen, wie in diesem Moment.
    All diese Experten, ausgebildet für bedrohliche Situationen, warteten darauf, dass Häberle eine Entscheidung traf. Doch dann war es der Ulmer Kripo-Chef, ein Mann jenseits der 50, an den Schläfen ergraut und mit randloser Brille, der die quälende Stille brach: „Wir evakuieren den Münsterplatz”, entschied er. Niemand wollte sich auf Anhieb dazu äußern. Die Blicke waren auf Häberle gerichtet, der sich an einen der Tische gelehnt und die Hände verschränkt hatte. Er kniff die Lippen zusammen und nickte schließlich. Eine Evakuierung war tatsächlich das Einzige, was sie in dieser Situation tun konnten – zumal es nicht mehr lange dauern und die Bevölkerung von den Ereignissen am Himmel Wind bekommen würde.
    Wieder sprach niemand. Auch aus dem Funkgerät kam kein Ton. Der Phantom-Pilot hatte es offenbar aufgegeben, den Sportflieger zur Landung zu überreden. Allerdings donnerte der Militär-Jet in Minutenabständen noch immer über die Stadt. Es war lange her, dass diese ohrenbetäubenden Düsenjäger nahezu zum Alltagsbild gehört hatten, damals, in Zeiten des Kalten Krieges.
    „Reichlich schwachsinnig”, kommentierte Häberle schließlich, als erneut die Fenster zu klirren begannen. Er griff spontan zum Mikrofon des Funkgeräts. „Hier spricht Kommissar Häberle für die Phantom”, sagte er völlig unvorschriftsmäßig.
    „Hört”, meldete sich der Phantom-Pilot.
    „Drehen Sie für kurze Zeit ab und steigen Sie höher”, befahl Häberle, „bleiben Sie auf ›stand-by‹, wir melden uns wieder.”
    „Verstanden”, bestätigte der Pilot.
    „So ist’s brav”, höhnte Rottlers Stimme sofort, „macht viel mehr Spaß, allein diese schöne Stadt von oben zu genießen. So lang’s den Turm noch gibt.” Er lachte.
    „Psychopath”, kommentierte Häberle, ohne das Mikrofon einzuschalten. Dann wandte er sich an seine Ulmer Kollegen: „Ich befürchte, dem Kerl ist wirklich alles zuzutrauen. Viel zu verlieren hat er nämlich nach Lage der Dinge nicht.” Der Kommissar überlegte und nickte dann dem Ulmer Kripo-Chef zu: „Leiten Sie alles zur Evakuierung des Platzes und der drum herumliegenden Geschäfte und Wohnungen ein. Sorgen Sie auch dafür, dass alle Besucher vom

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