Irrflug
weit”, stellte Hauff fest, „bei uns endet der Flugbetrieb um 20 Uhr. Er hat nur noch Platzrunden geflogen, also nur starten und gleich wieder landen.” Hauff machte eine Pause und erklärte dann: „Wissen Sie, zum Erhalt der Lizenz ist eine bestimmte Anzahl vorgeschrieben. Außerdem haben wir hier am Platz eingeführt, dass Piloten, die länger als 90 Tage nicht da waren, einen Überprüfungsflug mit Fluglehrer machen müssen. Reine Sicherheitsmaßnahme.”
Deutschländer nahm die Fax-Blätter zur Hand und überflog die aufgelisteten Namen. „Sie haben die Namen sicher auch selbst schon mal durchgesehen”, fuhr er fort, „gibt es keinen, dem Sie die Tote zuordnen könnten? Sie hatten ja erwähnt, dass Sie die Frau schon mal hier in Begleitung eines Piloten gesehen haben.”
Hauff beugte sich vor: „Sie werden verstehen, dass ich niemanden anschwärzen will …”
„Keine Sorge”, hob der Kommisar beschwichtigend eine Hand, „was wir hier reden bleibt unter uns. Aber verstehen Sie mich bitte: Es ist nahezu unmöglich, all diese Personen zu vernehmen, zumindest nicht in der gebotenen Eile.”
„Das ist mir auch klar”, entgegnete Hauff, „andererseits dürfen Sie sich nicht darauf versteifen, den Täter unbedingt in unseren Reihen zu suchen.”
„Ich weiß, dass Sie um den guten Ruf Ihrer Schule besorgt sind”, zeigte Deutschländer Verständnis, „aber es deutet doch vieles darauf hin, dass sich der Täter hier zumindest gut ausgekannt hat. Er muss gewusst haben, wie sich das Hallentor öffnen lässt und dass er frühmorgens nahezu ungehört hier hantieren konnte.”
Der andere nickte. „Um ehrlich zu sein, ja, natürlich hab’ ich mir Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen vielleicht vier, fünf Namen von Personen nennen, von denen ich meine, dass sie mit der Frau da gewesen sein könnten.”
Deutschländer holte tief Luft. „Das würde uns sehr weiterhelfen. Wie gesagt, damit wird ja niemand verdächtigt.”
Hauff griff zu den Fax-Blättern, die Deutschländer vor sich liegen hatte. „Hier, ich kreuze Ihnen die Namen an.” Der Motorflug-Chef nahm einen Kugelschreiber und kennzeichnete nacheinander fünf Namen, drei davon waren Männer.
Deutschländer lächelte zufrieden und schob die Blätter wieder zu sich herüber. „Und wie sind Sie ausgerechnet nun auf diese Namen gekommen?”
Der Gesprächspartner überlegte kurz. „Diese Personen sind mir spontan eingefallen, weil sie, wie ich meine, gelegentlich einen Passagier mitbringen. Ob da tatsächlich die getötete Frau dabei war, kann ich Ihnen aber beim besten Willen nicht sagen.”
Deutschländer nickte. „Noch eine Bitte”, sagte er, „lässt sich feststellen, wer gestern hier geflogen ist? Also Schüler und Charter-Piloten? Vielleicht auch zeitmäßig. Und vor allem, wer mit diesem gestohlenen Flieger den Tag über geflogen ist?”
„Kein Problem”, erwiderte Hauff, „meine Sekretärin wird Ihnen die Liste ausdrucken.”
Gerade als Deutschländer aufstand, um sich zu verabschieden, begann sein Handy die Melodie › Clou ‹ zu spielen. Der Kriminalist holte sein kleines Nokia aus der Hosentasche und meldete sich.
Hauff nahm die Gelegenheit wahr, ins Büro seiner Sekretärin hinüberzugehen, um die Charter-Liste des gestrigen Tages ausdrucken zu lassen. Als er wieder an seinen Schreibtisch zurückkehrte, hatte der Kriminalist sein Gespräch beendet.
„Die Obduktion hat ein erstes Ergebnis erbracht”, sagte Deutschländer knapp und steckte sein winziges blaues Handy wieder ein. „Allerdings kann man das Tatwerkzeug nicht eindeutig identifizieren.”
Hauff schluckte und blieb seitlich an seinem Schreibtisch stehen. „Und was wird vermutet?”
„Es müssen mehrere wuchtige Schläge mit einem festen Gegenstand gewesen sein, möglicherweise eine Eisenstange”, erklärte Deutschländer knapp.
5
Der Bodensee lag im schönsten Sonnenschein. Als sich das Flugzeug aus Richtung Norden näherte, über Meersburg anschwebend und den Sinkflug eingeleitet, glitzerte die ruhige Oberfläche des Sees, als bestünde sie aus Abermillionen von Diamanten. Unzählige Segelboote bildeten einen faszinierenden Kontrast zu dem Blau des ruhigen Wassers. Im Hintergrund zeichnete sich im Dunst des Sommermittags sanft die Gebirgskette ab. Die junge Frau am Steuer der kleinen Cessna musste sich jetzt aber auf den Landeanflug auf Konstanz konzentrieren. Der Tower hatte ihr die Landerichtung ›drei-null‹ zugewiesen, also in Richtung
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