Irrflug
Täter ja hier von einem Komplizen abgeholt.”
Die drei Uniformierten schafften aus einem der Streifenwagen mehrere Rollen Absperrbänder herbei, um sie weiträumig auf dem Boden auszulegen.
„Die Landung hat hier sicher kein Mensch bemerkt”, stellte Linkohr fest und deutete rundum an den bewaldeten Horizont, „es sei denn, wir haben wieder Frühaufsteher, wie letztes Jahr, Sie erinnern sich …”
Häberle lächelte und dachte an den Sturz von jenem Felsen, der sich in diesen Juni-Tagen tatsächlich jähren musste. Der Kriminalist kannte die Gegend. „Sie haben Recht, ein landendes Sportflugzeug hört hier kein Mensch. Die nächsten Orte sind zwei, drei Kilometer weg.”
Einer der Uniformierten, der drei Sterne auf dem Revers hatte, kam wieder auf Häberle zu: „Saget Se, warum bringt einer eine Frau um, klaut ein Flugzeug und fliegt grad’ mal schätzungsweise 30 Kilometer und landet wieder?”
Linkohr ereiferte sich, die Antwort zu geben: „Ob er tatsächlich auf dem direkten Weg von Kirchheim hier raufgeflogen ist, wissen wir noch nicht. Das wird erst die Tank-
uhr zeigen.”
„Stimmt”, ergänzte Häberle, „von der Hahnweide sind bereits einige Leute hierher unterwegs.”
8
„Ich bin’s”, sagte Olaf Rottler schmeichelnd. Sein Tonfall ließ darauf schließen, dass er mit einer Frau telefonierte. Deshalb hatte er sich auch zuvor noch einmal versichert, dass die Tür zum Büro seiner Sekretärin geschlossen war. Er wollte ungestört sein, lehnte sich genüsslich zurück und blickte durch ein weit geöffnetes Fenster auf die alten Bäume hinaus, die das Firmengebäude umgaben.
„Konnte nicht fliegen”, fuhr er in seinem Telefongespräch fort „irgendein Verbrechen ist auf der Hahnweide geschehen, der Flugplatz gesperrt.” Er lauschte kurz, um dann hinzuzufügen: „Nein, keine Ahnung, hab’ mich auch nicht drum gekümmert.”
Rottler spürte, wie sein Hemd schweißnass am Rücken klebte. Er berichtete seiner Gesprächspartnerin, dass er zwar kurz nach zehn zum Flugplatz gefahren, dann aber sofort wieder zurückgekehrt sei.
„Das wird ein super Abend, falls die Gewitter nicht früher aufziehen”, sagte er nach kurzer Pause, um damit anzudeuten, dass er diese Frau vom anderen Ende der Leitung heute noch gerne gesehen hätte. Er lauschte und begann, mit seinem Kugelschreiber Kringel auf den Rand einer Fachzeitschrift zu malen. „Meinst du, du kannst weg, ohne dass er misstrauisch wird?”, fragte er noch eine Spur leiser, um nach einigen Sekunden des Zuhörens fortzufahren: „Ich würde mich riesig freuen. Dir wird sicher was einfallen. Treffpunkt Wannenhof?” Rottler lauschte und nickte schließlich zustimmend mit dem Kopf. „Schön”, sagte er und war zufrieden, dass sich diese Frau seinetwegen wieder von daheim wegstehlen wollte. Zum üblichen Treffpunkt in jenem Waldcafé, das sich weit außerhalb Göppingens befand. Ein verträumter Platz, an dem man sich nicht jeden Augenblick neugierigen Blicken ausgesetzt sah. Vielleicht, so hatte es sich Rottler ausgemalt, würden sie auch noch einen Spaziergang um den nahen Linsenholzsee machen. „Ich hab’ dich lieb”, sagte er schließlich, lächelte und legte den Hörer auf.
Der Mann schloss die Augen und holte tief Luft. Augenblicke später riss ihn der elektronische Ton seines Telefons wieder in die Realität zurück. Er nahm ab, meldete sich und hörte die Stimme seines Chefs, der ziemlich nervös klang. „Ich hab’ den Eindruck, diesen Sesselfurzer müsset wir ernst nemme”, sagte Steinke, ohne lange Vorrede aufgeregt.
„Ist was passiert?”, fragte Rottler und verengte die Augenbrauen, als säße ihm der Konzernchef gegenüber.
„Noch nix. Aber der wird unang’nehme Froga stella. Ich hab’ ihm a bissle auf den Zahn g’fühlt. Ich will kein’ Ärger, hast du mich verstanda?” Steinke war offenbar ziemlich aufgewühlt.
Rottler wartete mit einer Antwort kurz, um dann so ruhig wie möglich zu entgegnen: „Keine Sorge, Frederik. Da gibt es nichts, was uns ernsthaft in Bedrängnis bringen könnte.”
„Dein Wort in Gottes Ohr”, hörte er seinen Chef sagen, „aber der Sesselfurzer kruschtelt en allem rum.”
„Okay, ich hab’s verstanden”, sagte Rottler und hörte, wie sein Chef grußlos auflegte.
August Häberle, der Kriminalist, der landesweit bereits die kniffligsten Fälle gelöst hatte, war gerade von dem Alb-Flugplatz Berneck gekommen. Im Kirchheimer Polizeirevier wurde er von den dortigen
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