Irrflug
damit?”, frage die kurzhaarige Blondine.
„Die lassen doch nicht locker. Was glaubt ihr denn? Wenn die auch nur die Spur eines Verdachts finden, irgend-etwas Ungereimtes, dann beißen die sich fest wie tollwütige Hunde”, sagte der Pomadige, Andy genannt. Er hatte einige Semester Jura studiert, ehe er die Banker-Laufbahn eingeschlagen hatte.
„Und wenn schon?”, zeigte sich Svea Heinemann zuversichtlich, wie schon einmal an diesem Tag, „wir haben doch nichts zu befürchten. Was haben wir schon mit dem Mord zu tun? Nichts, überhaupt nichts.” Alle schwiegen für ein, zwei Sekunden, so dass sie zweifelnd und unsicher hinzufügte: „Denke ich jedenfalls, oder?”
Die Wirtin brach als Erste das Schweigen: „Wir sollten aber vielleicht unserem Freund Emil Bescheid geben.”
Sie schauten sich fragend an, bis erneut Svea Heinemann das Wort ergriff: „Unbedingt. Aber nicht per Handy und auch nicht übers normale Telefon. Das übernehm’ ich – von einer Telefonzelle aus.”
„Richtig”, bestätigte Tommy, der ältere Geschäftsmann, „denkt bitte unbedingt dran. Kein Telefonat von einem identifizierbaren Anschluss. Nur von Telefonzellen aus. Ich entsinn’ mich noch genau, wie die voriges Jahr in Geislingen einen Mörder geschnappt haben, nur weil er auf seinem Handy in der Nähe des Tatorts ein ›SMS‹ empfangen hat. Denkt dran: Ein eingeschaltetes Handy hinterlässt überall Spuren. Man kann noch Monate danach euren Aufenthaltsort feststellen.”
„Im Übrigen”, so erklärte die Wirtin und wurde deutlich leiser, „stellen wir alle Aktivitäten vorläufig ein. Bis Gras über die Sache gewachsen ist. Habt ihr verstanden?”
Svea Heinemann nickte und ergänzte: „Außerdem bin ich für euch jederzeit da. Aber auch da gilt: Nur über Telefonzellen und nur, wenn’s sein muss. Natürlich auch keine E-Mails mehr. Vorläufig bin ich ja noch weit vom Schuss. Und wenn ihr mich anruft, dann bitte nur verschlüsselt reden. Man weiß nie. Die könnten auf die Idee kommen, Telefonanschlüsse zu überwachen. Fragt mich einfach, ob wir uns zu einem Plauderstündchen treffen sollen. Dann”, sie machte eine kurze Pause, „dann weiß ich Bescheid. Wir nennen auch keinen Treffpunkt am Telefon. Unser Plauderstündchen findet deshalb grundsätzlich im Autobahn-Rasthaus ›Ellwanger Berge‹ an der A 7 statt – Fahrtrichtung Würzburg. Habt ihr das verstanden?”
Die drei anderen nickten.
Der Geschäftsmann griff das Thema wieder auf: „Was haben die beiden denn wissen wollen?”
„Wann ich meine engsten Fliegerfreunde zuletzt gesehen hätte.”
„Ach”, machte Tommy, der Geschäftsmann, „und, was hast du gesagt?”
„Wie es ist, gestern natürlich, hab’ ich gesagt.”
„Und wen hast du namentlich genannt?”, fragte der Pomadige besorgt.
„Ich sagte doch, nur die Flieger. Und die sind denen sowieso schon bekannt.”
Es schien sich eine gewisse Erleichterung breit zu machen.
„Da haut’s dir’s Blech weg”, stellte Linkohr fest, als sie durch wolkenbruchartigen Regen die Stadt Göppingen verließen. Sein Erstaunen galt nicht der Wetterlage, sondern dem, was die Wirtin gesagt hatte. „Der Hilgenrainer war also auch bei der Grillfete”, resümierte er.
„Und uns hat er weisgemacht, er sei zuletzt vor zwei Wochen auf der Hahnweide gewesen”, ergänzte Häberle, der Mühe hatte, den Straßenverlauf zu erkennen.
„Na ja”, überlegte Linkohr, „im Prinzip hat er ja nicht mal so unrecht. Er war am Mittwochabend an den Bürgerseen – aber nicht auf der Hahnweide.”
„Als ob es da einen riesigen Unterschied gäbe”, empörte sich Häberle, „vielleicht zweihundert Meter Luftlinie! Wenn ich keinen Dreck am Stecken hab’, sag’ ich doch, wie’s war – dass ich zwar nicht auf dem Flugplatz, aber ganz in der Nähe war. Und was macht dieser Hilgenrainer? Er verschweigt das!”
„Das wird ihm das Genick brechen”, meinte Linkohr.
„Nur langsam, Kollege”, empfahl Häberle, „mir scheint, dass die Sache ganz so einfach nicht ist.”
Inzwischen waren in weiten Teilen des Kreises Göppingen die Feuerwehren im Einsatz. Der Gewitterregen hatte Straßen überschwemmt und hunderte Keller unter Wasser gesetzt. An vielen Stellen waren Bäume über die Fahrbahn gefallen. Die Scheibenwischer des Kripo-Mercedes’ kämpften gegen den niederprasselnden Regen an. Häberle steuerte den Wagen über die Jebenhäuser Bahnbrücke aus Göppingen hinaus. Nachdem sie eingestiegen waren,
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