Irrflug
gemacht.”
„Personenbeschreibung?”, hakte Häberle nach, während vor ihm das Ortsschild von Süßen auftauchte – mit neuerlichem Stau vor einer Ampel.
„Ich sagte doch: Fehlanzeige. Er kann sich nicht mal an die Haarfarben erinnern. War ja schließlich finstre Nacht.”
„Okay, danke”, sagte Häberle. Sein Kollege Linkohr drückte den Aus-Knopf.
„Was sagt uns das?”, fragte der junge Kriminalist.
Häberle zuckte mit den Schultern. „Es wäre zumindest denkbar, dass es sich um unseren Täter und sein Opfer gehandelt hat. Wendlingen, wo sie in den Bus eingestiegen sind, hat einen Bahn-Anschluss. Es liegt an der Strecke Tübingen-Plochingen. Und Plochingen ist der Umsteigeknoten zur Strecke Stuttgart-München. Da gibt’s also viele Möglichkeiten. Die können von weither gekommen sein”.
„Oder auch nur aus Göppingen und Geislingen”, fügte Linkohr hinzu.
Häberle nickte. „Jedenfalls geht’s durchs Filstal hier mit der Bahn schneller, als mit dem Auto”, stöhnte er angesichts des Stop-and-go-Verkehres durch Süßen.
„Sagen Sie das nicht. Die Bahn vernachlässigt ihren Nahverkehr ganz brutal. Wir in Geislingen können ein Klagelied davon singen. Die Bahn repariert dort nicht mal ihre defekte Bahnhofsuhr. Geht auf der einen Seite genau, auf der anderen aber zwei Minuten zu spät. Wie soll ein Reisender wissen, wonach er sich richten soll?”
„In dieser Republik geht langsam alles den Bach runter”, stellte Häberle fest und dachte insgeheim an die unselige Diskussion zur Ämterreform, wie sie der Herr Ministerpräsident ins Gespräch gebracht hatte. Damit hätte die Polizei den Landratsämtern eingegliedert werden sollen. Er konnte sich über solche Vorschläge nur wundern. ›Furz-Ideen‹ nannte er dies – wenn’s sein musste, würde er dies auch den Herren in Stuttgart sagen.
16
Sie trug wieder ihr weißes kurzes Röckchen, heute jedoch eine enge kurzärmelige Bluse. Ihr dunkelblaues Mercedes-Cabrio hatte sie in die hinterste Ecke des Parkplatzes gestellt. Sie öffnete die Beifahrertür des schwarzen BMW, stieg ein und umarmte den Mann am Steuer. „Olaf, ich bin überglücklich”, flüsterte sie ihm ins Ohr und küsste ihn.
„Fahr’n wir zum See?”, fragte Olaf Rottler während er den Motor startete. Sie nickte. Egal, wo er mit ihr hinfuhr, es war ihr egal – Hauptsache, sie konnte wieder bei ihm sein. Rottler fuhr, wie bereits gestern Abend, zur Landstraße vor, um dann links in das große Waldgebiet abzubiegen, das sich in Richtung Hohenstaufen erstreckte.
„Was hast du ihm erzählt?”, wollte Rottler wissen, der spürte, wie verschwitzt er war.
„Gar nichts”, sagte sie und streichelte ihm übers schwarze Haar, „er kommt ja mittags meist auch nicht heim.”
„Ja, ich befürchte, heut’ hat er anderes zu tun”, erwiderte Rottler, als er seinen BMW beschleunigte.
„Ist etwas passiert?”, fragte sie und ließ ihr Röckchen höher rutschen.
„Das kann man wohl sagen”, erklärte der Mann und holte tief Luft.
„Probleme mit Kunden?” Sie spürte, dass ihr Geliebter nachdenklich war, dass ihn etwas bedrückte.
„Ne”, sagte er knapp, „mit dem Finanzamt.”
Sie schwieg.
„Der Betriebsprüfer ist offenbar auf etwas gestoßen …” ,
erklärte Rottler, „ich befürchte, da kommt etwas in Gang.”
Sie verschränkte die Arme. „Wie meinst du das?”
Rottler schloss auf einen langsamen Lastzug auf und musste bremsen. „Ich halt’ es durchaus für denkbar, dass uns dieser Betriebsprüfer die Steuerfahnder auf den Hals hetzt.”
Die Frau blickte ihren Geliebten sorgenvoll an. „Jetzt, gleich? Heute? Am Freitagnachmittag noch?”
„Wenn die Schnüffler glauben, in ein Wespennest gestochen zu haben, ist denen nichts heilig – auch nicht das Wochenende”, sagte er und steuerte den BMW durch das kurvenreiche Waldgebiet weiter. Überholen war hier unmöglich.
„Haben die denn …”, sie überlegte kurz, „… in ein Wespennest gestochen?”
„Weiß ich nicht, wie die das sehen. Aber du weißt doch, was bei uns läuft”, erwiderte Rottler, „ein Firmengeflecht mit riesigem Ausmaß, alles ineinander verwoben und verschachtelt, verstehst du? Auslandsbeteiligungen, Verlustobjekte, ja, auch mal eine Menge Schmiergeld rübergeschoben, um in den Bananen-Republiken zum Zug zu kommen …”
„In den Bananen-Republiken …?”, wunderte sich die attraktive Mittdreißigerin, in deren dunkelblonden schulterlangen Haaren sich das Sonnenlicht
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