Irrflug
keinen Staatsanwalt und keinen Richter dazu bewegen können. Die Schneider ist eine solide Geschäftsfrau – über jeden Verdacht erhaben. Noch jedenfalls”, stellte er fest und bog an einer Ampel-Kreuzung links in Richtung Geislingen und Ulm ab. Im Wagen war es bereits wieder unerträglich heiß, trotz der geöffneten Seitenfenster.
Häberle forderte seinen Kollegen auf, bei der Sonderkommission in Kirchheim nach Neuigkeiten zu fragen. Der drückte einige Tasten am Handy, das in der Freisprech-Einrichtung steckte. Der Stimme nach zu urteilen, meldete sich Deutschländer. „Doch, wir haben Neuigkeiten”, sagte er, nachdem ihn Häberle über die Freisprech-Einrichtung begrüßt hatte.
„Oh, lassen Sie hören, Herr Kollege”, freute sich Häberle, während der Mercedes am Göppinger Freibad vorbei rollte.
„Die Hahnweide hat uns soeben die Namen einiger Piloten genannt, die im letzten Sommer zur selben Zeit auf dem Flugplatz gewesen sein müssten, wie dieser Mosbrucker aus Boll.”
„Super”, lobte Häberle, „und – wie viel sind es, die wir kennen müssten?”
„Nur drei – und zwar jene vom 6. Mai, 12. Juli und 27. August”.
„Und wer sind die Piloten?”.
Deutschländer legte eine Pause ein, weil er offenbar wieder in seinen Papieren nachsehen musste. „Elvira Schneider, Jens Hilgenrainer und Olaf Rottler”, las er dann vor.
„Da haut’s dir’s Blech weg”, staunte Linkohr auf dem Beifahrersitz.
„Das klingt spannend”, meinte auch der Kommissar und wollte das Gespräch dankend beenden, doch der Kirchheimer Kollege hatte noch etwas parat: „Stopp, Kollege”, sagte er, „heut’ Vormittag ist noch ein interessanter Hinweis eingegangen.”
„Ich höre und staune”, erwiderte Häberle. Er hatte bereits die Einmündung in die B 10 erreicht, die ab hier bis zur Schwäbischen Alb meist nur noch zweispurig war und sich durch viele enge Ortsdurchfahrten führte. Erstes ›Hindernis‹ auf dem Weg in Richtung Geislingen war das Städtchen Eislingen – mit unzähligen, kaum aufeinander abgestimmten Ampeln. Jetzt, kurz nach zwölf Uhr mittags, ging’s in der Lkw- und Pkw-Kolonne fast nur im Schritt-Tempo vorwärts.
Der Andere schien wieder in seinen Papieren zu blättern. Entsprechende Geräusche waren über den Lautsprecher zu hören. „Es hat sich noch mal ein Busfahrer gemeldet, dem kurz nach Mitternacht gestern ein Pärchen aufgefallen ist”, erklärte die Stimme im Lautsprecher, machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Im Omnibus von Wendlingen nach Kirchheim. Muss etwa zehn Minuten nach Mitternacht gewesen sein, der letzte Bus sozusagen.”
„Und was meint der Fahrer?”, fragte Häberle während er mit dem Mercedes mühsam den Verkehrsknoten in Eislingens Mitte hinter sich brachte.
„Na ja, er sagt, nachdem er in der Zeitung gelesen habe, dass wir darüber rätseln, wie der Täter zur Hahnweide gekommen sein könnte, sei ihm eben dieses Pärchen eingefallen, das am Wendlinger Bahnhof eingestiegen und in Kirchheim am Zentralen Omnibusbahnhof ausgestiegen sei.”
Häberle kniff die Lippen zusammen. Er sagte nichts und konzentrierte sich auf den wieder flotter gewordenen Verkehr, der jetzt aus Eislingen hinausrollte. Vorne tauchte die Nordkante der Schwäbischen Alb auf.
„Leider kann er die Personen nicht gut beschreiben”, erklärte Deutschländer mit Bedauern in der Stimme, „eine jüngere Frau halt und ein Mann mittleren Alters, meint er.”
„Und was war das Ungewöhnliche dran?”, wollte Häberle wissen. Er hielt sich exakt an die Tempo-Beschränkung auf 70 km/h. Von Weitem sah er bereits die rot-weißen Baken, mit denen in diesen Sommerwochen an der Abfahrt Salach das kurze vierspurige Stück wieder verengt wurde, um einem Umleitungsverkehr das Einfädeln zu erleichtern. Häberle musste auf 50 km/h reduzieren.
„Sie hätten so gar nicht den Eindruck hinterlassen, vom Nachtleben zurückzukommen. Eher, als hätten sie noch etwas vorgehabt”, erklärte Deutschländer.
Häberle lächelte. „Warum auch nicht? Die Nacht war lau.”
„Schon”, stimmte der Kollege zu, „aber der Mann habe eine Sporttasche oder so etwas Ähnliches dabei gehabt und auch die junge Dame erschien dem Zeugen ziemlich sportlich gekleidet.”
„Und wo die beiden nach dem Aussteigen in Kirchheim hingegangen sind, weiß er natürlich nicht”, fragte Häberle zweifelnd.
„Nein. Er habe sich ja zu diesem Zeitpunkt auch noch keine allzu großen Gedanken darüber
Weitere Kostenlose Bücher