Irrflug
um dann über die Chef-Etage zu Jens Hilgenrainer zu kommen, der ja ohnehin ein Fliegerkamerad des Finanz-Chefs war.
Die Empfangsdame, deren dunkelblondes Haar schulterlang war, lächelte bedauernd. „Herr Rottler ist nicht im Hause”, sagte sie kühl.
„Weiß man denn, wann er wieder kommt?” wollte Häberle stirnrunzelnd wissen.
„Bedaure, nein. Er hat sich bei mir nicht abgemeldet. Aber ich könnte Sie mit Herrn Steinke bekannt machen.” Sie schaute auf ihre Armbanduhr, „seinen nächsten Termin hat er erst um 15 Uhr.” Jetzt war es kurz vor zwei.
Häberle und Linkohr schauten sich an.
„Okay”, entschied der Kommissar, „wenn sich’s gerade so anbietet – warum eigentlich nicht?”
Die Empfangsdame bat die Besucher mit einer Handbewegung zu einer beigen Leder-Sitzgruppe, die abseits in einer lichtdurchfluteten Ecke stand, umgeben von großen Philodendren. Dann drückte sie an ihrem Telefon einige Tasten und teilte dem Herrn Vorstandsvorsitzenden mit, dass zwei Herren von der Kripo ihn sprechen wollten. Häberle nahm aus gut zehn Metern Entfernung zur Kenntnis, dass der Angerufene offenbar nicht so sehr begeistert reagierte. Schließlich schien er aber doch einzuwilligen. Die Empfangsdame legte lächelnd auf und rief den Gästen zu: „Der Herr Steinke lässt Sie von seiner Sekretärin abholen.”
Es dauerte keine zwei Minuten, bis flotte Schritte durch den großen Eingangsbereich hallten. Auf der nach oben führenden Marmortreppe tauchte eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren und einem weißen, knapp knielangen Kleid auf. Sie führte die beiden Kriminalisten nach oben und dort über den langen Flur, dessen linke Seite nahezu vollständig aus Glas bestand. Der Blick ging auf die alten Bäume hinaus, die auf diesem ehemaligen Militär-Areal das Zeitalter des Kalten Krieges unbeschadet überstanden hatten.
Der Vorstandsvorsitzende des größten Computer-Unternehmens weit und breit wirkte blass und nervös. Seine Gesichtszüge waren versteinert, er versuchte krampfhaft zu lächeln. „Kriminalpolizei?”, fragte er ungläubig, als er den beiden Männern die Hände drückte und ihnen einen Platz auf der großen ledernen Couch anbot. Steinke hatte die Krawatte abgelegt, den obersten Knopf seines weißen Hemdes gelöst. Drüben auf seinem Schreibtisch, das stellte Häberle fest, herrschte Unordnung – etwas, das bei Vorstandsvorsitzenden äußerst selten zu beobachten war. Unzählige Ordner und Schnellhefter lagen kreuz und quer aufgeschlagen übereinander. Normalerweise waren Chef-Schreibtische blitzblank.
„Keine Aufregung bitte”, lächelte er und hob wieder beschwichtigend die Hände. „Wir wollten eigentlich gar nicht zu Ihnen, sondern zu Ihrem Herrn Rottler und Ihrem Herrn Hilgenrainer.”
„Darf ich fragen, ob etwas passiert ist? Sie treffen mich inmitten zweier wichtiger Termine”, entgegnete Steinke und begann langsam wieder seine Fassung zu finden.
„Im Prinzip ist nichts passiert”, sagte Häberle, „es geht um das Verbrechen auf der Hahnweide. Sie haben sicher davon gehört.”
Steinke verengte die Augenbrauen. „Ja, gehört und gelesen …”, … er schien zu begreifen, „Rottler und Hilgenrainer sind Piloten. Deshalb Ihr Besuch, nehm’ ich an.”
Häberle und Linkohr nickten.
„Sie wollen sicher wissen …”, fuhr Steinke sichtlich erleichtert fort und zögerte, denn auf seiner Stirn hatten sich feine Schweißperlen gebildet, „Sie wollen sicher wissen, ob die beiden Herren etwas beobachtet haben.”
„So könnte man es ausdrücken”, klärte Häberle auf, „und bei der Gelegenheit wollten wir von Ihnen erfahren, wie häufig Ihr Herr Rottler geschäftlich geflogen ist.”
Der Andere schien jetzt irritiert zu sein und verfiel ins Schwäbische. „Ich versteh’ net ganz …”
Linkohr schaltete sich ein: „Sie sind nicht der Einzige, den wir so fragen. Wir sind dabei, das Umfeld vieler Piloten der Hahnweide zu durchleuchten.”
„Ein Mosaiksteinchen nach dem anderen …”, klärte Häberle auf, „inzwischen wissen wir, es gibt reine Sonntags- und Schönwetterflieger, wie wohl Herr Hilgenrainer. Und dann gibt es aber Piloten, die ihr Hobby auch geschäftlich nutzen können.”
Steinke nickte zustimmend. „So ist es”, sagte er, „spricht ja auch nichts dagegen, oder?”
Der Kommissar winkte ab. „Vergessen Sie’s. Wir sind keine Steuerfahnder.” Er machte eine Pause, ehe er seine nächste Frage stellte: „Herr Rottler ist also gelegentlich
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