Irrflug
wie sein Hals trocken wurde, „… Sie wollen damit sagen, ich hätt’ Sie angelogen?”
Häberles Tonfall wurde väterlicher. „Nicht direkt”, sagte er, „aber etwas verschweigen ist fast so schlimm, wie lügen – zumindest, wenn’s um ein wichtiges Detail geht.”
Der junge Mann ging in die Offensive: „Sie meinen den Mittwochabend …?”
„Exakt erkannt”, entgegnete ihm Häberle, „absolut richtig. Wir haben Sie gefragt, wann Sie zuletzt auf der Hahnweide waren, stimmt’s?”
„Und Sie haben gesagt”, machte Linkohr weiter, „das sei vor zwei Wochen gewesen. Im Prinzip ja nicht mal gelogen.”
„Im Prinzip”, ergänzte der Kommissar und sah, wie Hilgenrainer immer blasser wurde, „schließlich waren Sie am Mittwochabend auch nicht direkt auf der Hahnweide, sondern daneben – drunten an den Bürgerseen.”
Der Angestellte nickte. „Ja, Sie haben Recht.”
„Da stellt sich für uns misstrauische Kriminalisten natürlich die Frage, warum Sie uns dies gestern verschwiegen haben”, erklärte Häberle.
„Dass Sie’s vergessen haben könnten, wollen wir Ihnen nicht abnehmen”, stellte Linkohr fest.
Und Häberle konstatierte: „Wenn in unmittelbarer Nähe ein Verbrechen geschieht, fällt einem doch sofort ein, dass man kurz zuvor dort gewesen ist.”
„Und man sagt dies auch”, ergänzte sein junger Kollege, „es sei denn, man hat etwas zu verschweigen.”
Hilgenrainer schwieg. Hatte er zunächst geglaubt, sich in ein besseres Licht rücken zu können, so fühlte er sich jetzt in die Enge gedrängt.
„Und was gibt es dazu zu sagen?”, blieb Häberle hartnäckig.
Der junge Mann rückte näher an den Tisch und stützte sich mit den Unterarmen ab. „Es war Schwachsinn von mir”, rang er sich durch, „völliger Schwachsinn. Ich war gestern Abend, als Sie bei mir waren, nicht gut drauf. Hinterher hab’ ich mir selbst die größten Vorwürfe gemacht.”
„Aber nicht angerufen und Ihre Aussage richtig gestellt”, warf ihm Linkohr jetzt eine Spur energischer vor.
„Das war ein Fehler”, räumte Hilgenrainer ein und wirkte so, als wolle er gleich in Tränen ausbrechen.
„Erklärung?”, fragte Häberle knapp.
„Ich will da nicht mit hineingezogen werden, ich hab’ mit dem, was da auf der Hahnweide geschehen ist, nichts zu tun. Es war ein gemütliches Grillen an den Bürgerseen, nichts weiter. Wir haben das schon vor Wochen ausgemacht und die Chance genutzt, bevor wieder Gewitter angesagt waren.”
„Das kann man aber doch zugeben”, staunte Linkohr, „wieso lügen und sich der Gefahr aussetzen, in einen Mordfall hineingezogen zu werden?”
„Ich sagte doch schon: Es war schwachsinnig, ja.” Hilgenrainer holte tief Luft und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn.
Häberle wurde deutlich: „Soll ich Ihnen was sagen? Da unten an den Bürgerseen ist etwas gelaufen, das wir nicht wissen sollen.”
Hilgenrainer stutzte. „Wie kommen Sie denn da drauf?” Er schien hochspringen zu wollen, hatte sich dann aber offenbar doch unter Kontrolle.
„Weil allesamt so geheimnisvoll tun. Sie, die Frau Schneider und der Herr Mosbrucker. Keiner will so recht mit der Sprache heraus”, wetterte Häberle.
„Man sagt nur so viel, wie notwendig”, mischte sich Link-ohr wieder ein, „man könnt’ den Eindruck gewinnen, als sei der Mörder dabei gewesen – und alle wüssten’s.”
Hilgenrainer erschrak. „Das können Sie nicht sagen”, empörte er sich, „das geht entschieden zu weit.”
Häberle sah den Moment eines noch energischen Einschreitens für gekommen: „Dann will ich jetzt, hier und heute, von Ihnen wissen, was sich am Mittwochabend an den Bürgerseen abgespielt hat.”
„Was heißt da abgespielt?”, griff der junge Mann die Aufforderung auf und rutschte auf seinem Stuhl hin und her, „wir haben uns an dem lauen Abend erfreut, haben Feuer gemacht – und jeder hat seine Wurst gegrillt. Nichts weiter.” Seine Stimme verriet Nervosität.
„Nichts weiter”, wiederholte Häberle abfällig, „nichts weiter. Soll ich Ihnen sagen, was ich glaube?” Er erwartete keine Antwort, sondern fuhr fort: „Ich glaub’ in der Tat, dass da noch mehr Personen dabei waren. Keine Unbekannten für Sie, sondern weitere Flieger aus Ihrer Clique, stimmt’s?”
Hilgenrainer schwieg.
„Es würde nicht nur uns weiterhelfen, wenn Sie die Wahrheit sagen würden, sondern auch Ihr Gewissen erleichtern”, lenkte Linkohr ein und schaute ihn aufmunternd an.
Der
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