Irrflug
sollte, keinerlei Ahnung davon haben.” Der Anwalt legte sich einen Schnellhefter mit leeren Blättern zurecht und entnahm einer kleinen Schatulle einen wertvollen Kugelschreiber.
„Könnten Sie sich vorstellen, dass ich krumme Dinger drehe?” Steinke sagte dies, als suche er wie zur Bestätigung eine ihm gewogene Antwort.
„Was ich mir vorstellen kann, Herr Steinke, das ist nicht ausschlaggebend. Ich kenne Sie lange genug, um Sie als ehrlichen und seriösen Geschäftsmann einstufen zu können. Maßgebend ist aber einzig und allein, was in den Büchern steht, in den Bilanzen, in Ihren Geschäftsberichten und vor allem in Ihren Steuer-Erklärungen”, erläuterte der Jurist.
Der Geschäftsmann begann erneut zu wehklagen über die Finanzbehörden und die Regierung, vor allem aber über diesen Altmann, den er auch vor dem Juristen respektlos als den ›Sesselfurzer‹ titulierte, der ihm dies alles eingebrockt habe.
„Ist der jetzt noch im Haus?”, wollte der Anwalt wissen.
Steinke schüttelte den Kopf. „Wo denket Sie hin!? Von denen schafft doch um diese Zeit am Wochenende keiner mehr. Nur des ehrlich steuerzahlende Volk malocht und wird g’molka wie a Kuh”, Steinke kam wieder ins Schwäbische hinein – wie immer, wenn er sich aufregte.
„Er hegt also den Verdacht, haben Sie gesagt, dass Gelder in Millionenhöhe beiseite geschafft worden sein könnten”, versuchte der Jurist das Gespräch wieder auf den Punkt zu bringen.
Steinke schlug mehrere Aktenordner auf „11,25 Millionen Euro seien verschwunden – abgehoben in vierzehn Einzelbeträgen.” Er ließ die Blätter eines Ordners durch seine rechte Hand gleiten.
„Eine stattliche Summe”, erwiderte der Jurist, „eine Summe, die nicht gerade so irgendwo versehentlich reinschlupfen kann.”
Steinke sagte nichts.
„Haben Sie denn eine Erklärung dafür, weshalb sie dieser Steuerprüfer in den Büchern nicht nachvollziehen kann?”, wollte der Anwalt wissen.
Der Mann holte tief Luft. „Um ehrlich zu sein, ich kann mir das nicht erklären. Wir haben natürlich Schmiergelder bezahlt.”
„Und solche Einzelsummen sind hier einfach am Bankschalter zu kriegen? Bar?”, staunte der Jurist.
„Nein, nicht hier in Göppingen. Das holen wir in Stuttgart.”
„Wenn Sie – was haben Sie gesagt? – in vierzehn Einzelbeträgen über elf Millionen abheben, sind das jeweils ganz erkleckliche Summen.”
„Wenn’s denn so g’wesen wär’”.
„Aber es muss doch Kontoauszüge geben, auf denen dies alles einwandfrei dokumentiert ist – sehe ich das richtig?”.
Steinke nickte eifrig und blätterte in seinen Unterlagen. „Die gibt es, selbstverständlich. Das ist ja der Schwachpunkt, an dem sich der Schnüffler aufhält.”
„Dann sind die Gelder auch abgehoben worden?!”, stellte der Rechtsanwalt eher rhetorisch fest.
„Unstrittig. Daran gibt’s nix zu deuteln. Aber ich kann nicht auf Anhieb nachvollziehen, was wir damit gemacht haben.”
„Bei so viel Geld?”
„Wir sind keine kleine Klitsche”, brauste Steinke auf, „da werden tagtäglich Millionen bewegt.”
„Und da sind elf Millionen auf drei Jahre verteilt tatsächlich …”, der Anwalt zögerte, „… so etwas wie Peanuts?”
Steinke schwieg.
Der Anwalt versuchte wieder mit sonorer Stimme, zur Sachlichkeit zurückzukehren: „Sie müssen mir, wenn ich Ihnen helfen soll, schon ein bisschen genauer erzählen, wie’s um Ihr Finanzgebaren steht.”
„Ich will’s versuchen … womöglich bleibt uns gar nicht mehr so viel Zeit”, meinte Steinke und fächerte sich mit einem Schnellhefter Frischluft zu.
„Es muss doch einwandfrei nachvollziehbar sein, wer das Geld abgehoben hat – und vor allem warum, und wohin es gewandert ist”.
„Ich glaub’, ganz so einfach wird das nicht sein”, räumte sein Gesprächspartner ein, „vielleicht wär’ es sogar besser, wir ziehen einen meiner Steuerberater hinzu.”
20
Häberle und Linkohr hatten, von Göppingen kommend, die B 10 bei Uhingen wieder verlassen, um über Albershausen und Schlierbach auf Kirchheim zuzusteuern. Sie schwiegen sich eine Weile an, bis Linkohr im Schatten des Schlierbacher Waldes unvermittelt feststellte: „Da fällt mir ein, was wir diesen Steinke hätten auch noch fragen sollen.”
Häberle hob die rechte Augenbraue und sah zu seinem Kollegen auf dem Beifahrersitz hinüber. „Und?”
„Ob er auch Flieger ist. Ob er womöglich auch in irgendeiner Weise mit der Fliegerclique
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