Irrflug
erkannte der Kriminalist bei einem ersten flüchtigen Blick auf das reichlich mit Instrumenten bestückte Cockpit.
„Uniform Whisky abflugbereit”, krächzte plötzlich eine Stimme im Lautsprecher – so laut, dass Häberle erschrak.
„Das ist sie”, erklärte Hauff schreiend, so dass es Häberle verstehen konnte.
Eine männliche Stimme tönte aus dem Lautsprecher über ihren Köpfen: „Uniform Whisky, frei zum Startpunkt drei-eins.”
Die Pilotin bestätigte. Drei-eins bedeutete 310 Grad. Startrichtung.
Hauff griff zum Gashebel, der sich in der Mitte des Armaturenbretts befand. Er drückte ihn hinein und sogleich wurde der Motor noch lauter, der Zeiger des Drehzahlmessers rückte einige Striche weiter. Der Pilot ließ die Bremse los, die er mit den Fußpedalen gedrückt gehalten hatte, mit deren unteren Bereich auch die Seitenruder betätigt wurden. Gleichzeitig konnte damit das Flugzeug am Boden übers Bugrad gesteuert werden. Die Maschine setzte sich in Bewegung. Hauff hatte zuvor den Flugleiter im Tower telefonisch verständigt, worum es ging, und ihm gesagt, dass er keine Flugfreigabe per Funk einholen wolle, damit die Pilotin nicht merkte, dass ihr sofort jemand folgen würde.
„Uniform Whisky am Startpunkt drei-eins”, hörten sie die Frau sagen. Der Flugleiter erteilte ihr die Startfreigabe.
Während Elvira Schneider mit ihrer Cessna noch am Beginn der Startbahn stand, hatte das zweite Flugzeug mit Hauff und Häberle an Bord bereits den Asphaltweg erreicht, der parallel zur Piste verlief. Sie rollten links daran entlang und sahen, aus respektabler Entfernung, die nun startende ›Uniform Whisky‹ entgegenkommen, rasch an Geschwindigkeit zunehmend. Häberle drehte sich vorsichtshalber nach links weg, um zu vermeiden, dass ihn die Pilotin sehen oder gar erkennen konnte. Dies allerdings wäre äußerst unwahrscheinlich gewesen, zumal die Frau in dieser Startphase wohl kaum soweit und intensiv seitlich hinausblicken konnte, um hinter der reflektierenden Plexiglasscheibe einer anderen Maschine eine Person erkennen zu können.
Hauff drückte den Gashebel noch ein Stück weiter, um die Cessna am Ende des Asphaltwegs über die unebene Wiesennarbe voranzutreiben. Als die startende Maschine an ihnen vorbei war, drehte sich der Kommissar wieder um und blickte ihr durch die rechte Scheibe nach. Kaum hatte sie die großen gelben Platzreiter passiert, die die Hälfte der Startbahn markierten, hob das Sportflugzeug ab.
Die Maschine hatte inzwischen den Anfang der Piste erreicht. Hauff absolvierte die letzten vorgeschriebenen Checks im Eiltempo, testete die Zündung, überflog die Triebwerksinstrumente und richtete derweil die Flugzeug-nase in die Startrichtung aus. Mit einem Blick auf seinen Passagier signalisierte er, dass es losgehen würde. Häberle nickte und sah weit vorne die Cessna von Elvira Schneider am blauen Himmel hochsteigen.
„Uniform Whisky, Ihre Absichten?”, krächzte die Stimme des Flugleiters im Lautsprecher. Eine scheinbar belanglose Frage, nichts Außergewöhnliches.
„Uniform Whisky”, wiederholte die Pilotin ordnungsgemäß, „Flug nach Konstanz.”
„Uniform Whisky, guten Flug”, erwiderte der Flugleiter.
Während Hauff den Gashebel bis zum Anschlag ins Armaturenbrett drückte, der Motor nun noch lauter aufzuheulen begann und der Flieger von einer unbändigen Kraft gepackt zu werden schien, nickte er seinem Passagier zu. Beide waren zufrieden, dass es so einfach gewesen war, das Flugziel von Elvira Schneider zu erfahren. Die Cessna nahm Fahrt auf, holperte und ächzte. Häberle sah rechts neben sich den Tower und dann die erste Flughalle vorbeiziehen. Der Geschwindigkeitszeiger, das konnte nur Hauff sehen, zitterte langsam zur 40-Knoten-Marke. Er hielt das Steuerhorn leicht gezogen, um das Bugrad auf der unebenen Grasnarbe zu entlasten.
Die vorausfliegende Cessna, das erkannte der Pilot trotz der blendend am südwestlichen Horizont stehenden Sonne, hatte bereits deutlich an Höhe gewonnen und nahm Kurs auf Reutlingen, das für Flüge zum Bodensee ein wichtiger Orientierungspunkt war. Ab dort konnte man am Satelliten-Navigationsgerät die Kennung für Konstanz einstellen und brauchte nur dem Zeiger zu folgen. Auf diesem Kurs war dann kein militärisches Sperrgebiet mehr zu berücksichtigen. Jenes des Truppenübungsplatzes Münsingen lag weit links, das von Stetten am kalten Markt rechts des Kurses. Seit es diese Art von Navigation gab, GPS genannt und ein Abfallprodukt aus
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