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Irrflug

Irrflug

Titel: Irrflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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den Zeiten des Kalten Krieges, das längst zur zivilen Nutzung freigegeben war, fanden auch die Sportflieger, sofern sie ein entsprechendes Gerät besaßen, ihr Ziel viel leichter, als zu früheren Zeiten. Bis dahin hatten sie sich allein auf markante Punkte im Gelände konzentrieren müssen – auf Autobahnen, Eisenbahnen, Flüsse, Türme und Berge. Auch die verschiedenen Funkfeuer, wie sie die Luftfahrt seit Langem nutzt, waren eine große Hilfe. Allerdings, darauf wiesen die Fluglehrer immer wieder hin, darf sich der Sichtflieger niemals aufs GPS verlassen. Er muss die Navigation nach alter Fliegerväter Sitte trotzdem beherrschen.
    Die Cessna hatte jetzt ihre optimale Geschwindigkeit zum Abheben erreicht. Knapp über 60 Knoten begann sich die Luftströmung an den Tragflächen anzulegen. Nun entstand unsichtbar jene physikalische Erscheinung, der die Menschheit das Fliegen verdankt: Auf Grund der Form der Tragflächen streicht die Luft unten und oben unterschiedlich schnell vorbei – mit der Folge, dass an der Unterseite ein Druck und an der Oberseite ein Sog entsteht. Der Flieger scheint schwerelos zu werden und wird von den aerodynamischen Kräften nach oben gezogen.
    Sie waren noch einige Platzreiter vom Ende der Startbahn entfernt, als Hauff das Steuerhorn sanft weiter zu sich herzog. Augenblicklich hörte das Scheppern und Rumpeln auf, die Cessna hatte den Bodenkontakt verloren. Nur der Motor und das Rauschen der vorbeiziehenden Luft waren noch zu hören. Langsam gewann die Maschine an Höhe. Häberle sah rechts unter sich den Begrenzungszaun des Flugplatzes verschwinden. Der Kriminalist zeigte dem Piloten mit nach oben gehaltenem Daumen an, dass er zufrieden sei. Der lächelte und behielt mehrere Instrumente gleichzeitig im Auge: Drehzahl, Höhenmesser, Geschwindigkeit. Dann legte er die Maschine in eine leichte Linkskurve. Häberle erkannte, dass dies abseits eines Aussiedlerhofs geschah. Augenblicke später tauchte rechts eine Ortschaft auf, bei der es sich, so schätzte er, um Reudern handeln musste. „Sollten wir nicht drüber”, erklärte Hauff mit lauter Stimme, um den Motor zu übertönen. Mit dem Flugleiter hatte er abgesprochen, sich über Funk nicht zu melden. Es war zu vermuten, dass Elvira Schneider noch immer die Frequenz der Hahnweide eingestellt haben würde.
    Der Kriminalist war von dieser Art des Fliegens begeistert. Er überblickte die Instrumente, die ähnlich aussehen, wie im Cockpit des Polizei-Hubschraubers. Wenn er den Höhenmesser richtig deutete, hatten sie soeben die 1500-Fuß-Marke überschritten – grob geteilt durch drei, dachte er sich, also 500 Meter über Normalnull. Dann waren sie, abzüglich der geschätzten Geländehöhe von vielleicht 400 Metern nun bereits hundert Meter über Grund.
    Häberle sah, wie sich der Horizont von Sekunde zu Sekunde weitete. Links drüben die Burg Teck, links unten das riesige Waldgebiet, das sich bis zum Albrand hin erstreckte. Rechts drüben im sommerlichen Dunst erkannte er andeutungsweise die Landesbahn des Flughafens Echterdingen, weit vorne zeichnete sich bereits der charakteristische Bergkegel der Achalm bei Reutlingen ab. Mit jedem Meter, den sie höher stiegen, taten sich neue Perspektiven auf, schrumpften Häuser und Autos auf Spielzeug-Format. Hauff deutete mit dem rechten Zeigefinger auf die Cessna, die schätzungsweise ein, zwei Kilometer vor ihnen flog und schon einige hundert Meter höher war.
    Der Pilot hatte inzwischen den Transponder auf die vorgeschriebene Kennung geschaltet. Damit waren sie für die Fluglotsen als deutliches Objekt auf ihren Bildschirmen erkennbar. Dann betätigte er am Satelliten-Navigationsgerät einige Tasten, wartete, bis es die nötigen Satelliten empfangen konnte, und drehte so lange einen Knopf, bis die internationale Kennung ›EDTZ‹ für Konstanz auf dem Display zu sehen war.
    Sie flogen einige Minuten schweigend, denn jede Unterhaltung erforderte eine gewaltige stimmliche Anstrengung. Häberle blickte aus dem rechten Fenster auf die herrlich sommergrüne Landschaft hinab, die gemächlich unter ihnen vorbeizog. Weiter westwärts hob sich eine große Straßenbrücke von der Umgebung ab. Vermutlich die Verbindung nach Tübingen, dachte sich Häberle, als ihn eine krächzende Stimme im Lautsprecher, die das monotone Motorengeräusch übertönte, aufschrecken ließ. „Delta, November, Fox für die Hahnweide, kommen.” Das war das Kennzeichen ihrer Maschine. Der Kommissar hatte es nicht gleich

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