Irrflug
sind. Kein Mensch wird Ihnen glauben, dass das so eine Art Taschengeld war oder eine fürsorgliche Zuwendung an irgendwelche Entscheidungsträger, die Sie sich”, … er überlegte, „… sagen wir mal, gewogen machen wollten.”
„Ich sag’ Ihnen”, brauste Steinke wieder los und sprang auf, „in meinen Augen ist das alles kein Unrecht. Der Rotter muss das ausbaden, weil er verantwortlich war.”
Der Jurist seufzte. „Nach Lage der Dinge”, begann er vorsichtig, wohl wissend, damit einen noch heftigeren Tobsuchtsanfall auszulösen, „nach Lage der Dinge, wie Sie’s mir jetzt geschildert haben, halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass die Steuerfahnder eine Hausdurchsuchung erwirken.”
Der Firmenchef schoss wie eine Rakete drei Schritte auf den noch immer ruhig sitzenden Juristen zu: „Und genau das werden Sie verhindern. Ich bezahl’ Sie fürstlich. Jetzt erwart’ ich, dass Sie was tun für Ihr Geld. Verdammt noch mal.”
In diesem Moment klingelte das Telefon. „Ja”, brüllte Steinke in die Muschel und lauschte, um sofort noch lauter zu schreien: „Wird ja auch allerhöchste Zeit.”
22
Jens Hilgenrainer hatte sich nach dem Besuch der beiden Kriminalisten an seinem Arbeitsplatz nicht mehr konzentrieren können. Diese Fragerei ging ihm auf die Nerven. Außerdem war er nicht der Typ, der diesen Profis etwas entgegensetzen konnte. Er hatte es als Informatiker gelernt, sich mit komplizierten Software-Problemen auseinanderzusetzen – nicht aber, in Diskussionen geschliffen zu formulieren. Das hasste er. Kaum war er wieder in seinen mit Computer-Bildschirmen und elektronischen Geräten ausgestatteten Arbeitsraum zurückgegangen, hatte er seinen Fliegerfreund Mosbrucker auf dessen Handy angerufen. Dieser meldete sich von einer Baustelle in Aichelberg.
Hilgenrainer hatte das dringende Bedürfnis, mit Günter Mosbrucker unter vier Augen zu reden. Zunächst waren sie auf den Gedanken verfallen, sich unter den prächtigen Kastanien im Göppinger ›Radkeller‹ zu treffen, einer Gaststätte am Stadtrand in Richtung Jebenhausen – für Mosbrucker demnach auch günstig gelegen. Doch dann gab der Elektriker zu bedenken, dass es in so einer Gartenwirtschaft viele fremde Ohren gebe, zumal an einem solchen Sommerabend, und deshalb schlug er einen gemeinsamen Spaziergang im schattigen und somit wohl kühlen Ödewald vor, der sich ebenfalls an diesem für ihn verkehrsgünstigen Stadtrand befand. Sie kamen überein, sich um 16.30 Uhr auf dem Parkplatz zu treffen, der auf dem höchsten Punkt zwischen Göppingen und dem Stadtbezirk Jebenhausen am Waldrand lag. Von dort führte ein Weg durch das Waldgebiet zum Tierheim, dem Mosbrucker gerne hin und wieder einen Besuch abstattete.
Als Hilgenrainer dort mit seinem silbermetallic-farbenen Audi Coupé eintraf, stand Mosbruckers VW-Bus bereits auf einem der vorderen Stellplätze. Die hinteren, die von den hohen Bäumen besser beschattet wurden, waren von einem halben Dutzend anderer Fahrzeuge belegt. Niemand wollte an einem solchen Tag sein Fahrzeug der prallen Sonne aussetzen.
Mosbrucker hatte sich nicht umgezogen, sondern war in seiner blauen Arbeits-Latzhose gekommen, den Kragen seines kurzärmligen karierten Hemdes weit geöffnet. Er wirkte abgekämpft, war verschwitzt und offenbar auch unrasiert. Hilgenrainer hingegen war als Büromensch das krasse Gegenteil. Unterschiedlicher könnten zwei Männer vom Aussehen her kaum sein. Sie schüttelten sich freundschaftlich die Hände und schlenderten auf dem schattigen Weg in den Wald hinein. Hilgenrainer hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, Mosbrucker hielt sich lässig an den Trägern der Latzhose fest.
Sie sahen eine ältere Frau mit einem Kinderwagen entgegenkommen. Oma und Enkel, dachte Mosbrucker und verkniff sich eine Bemerkung, mit der er das Schweigen brechen wollte. Als die Fußgängerin vorbei war, versuchte er zu ergründen, weshalb ihn Hilgenrainer unbedingt so schnell hatte treffen wollen. Insgeheim freilich konnte er es sich natürlich denken. „Das hat vorhin am Telefon so geklungen, als sei etwas angebrannt”, begann er betont locker.
Hilgenrainer zuckte mit der rechten Backe. „Angebrannt ist gut, Mensch. Mir schleichen die Bullen schon bis in die Firma nach.”
Mosbrucker blieb überrascht stehen und schaute seinen Freund an. „Die sind bei dir aufgetaucht? Einfach so?”
„Waren bei meinem Chef, wollten wohl auch zu Rottler, seinem Vize – und haben mir dümmliche
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