Irrflug
Fragen gestellt”, berichtete Hilgenrainer und ging weiter, so dass Mosbrucker ihm folgen musste. Sie hörten von ferne die Autos auf der Umgehungsstraße, die hier das Waldgebiet durchschnitt.
„Und – was waren das für Fragen?” Mosbrucker hielt noch immer die Träger der Latzhose fest.
„Die haben Lunte gerochen, glaub’ mir. Die wollen unbedingt wissen, mit wem wir am Mittwoch an den Bürgerseen waren”, erklärte Hilgenrainer schnell und eine Spur zu laut, wie er sofort selbst erschrocken feststellte.
Der Andere blieb abermals stehen. Von hinten näherte sich ein radelnder Schüler und überholte sie. Als der Junge außer Hörweite war, stellte er genervt fest: „Das ist eine ausgesprochene Scheiße, eine verdammte Scheiße”, zischte er und ging wieder ein paar Schritte weiter.
„Ich hab’ natürlich nicht mehr gesagt, als was wir ausgemacht haben”, entgegnete Hilgenrainer und nahm die rechte Hand aus der Hosentasche, „nur wenn einer von uns umfällt und plaudert, sind wir am Arsch. Ich hoffe, du kapierst das.”
Mosbrucker schluckte und fuhr sich mit der rechten Hand durchs zersauste Haar, griff aber sofort wieder an den Latzträger. Die Autogeräusche wurden lauter.
Hilgenrainer fuhr fort. „Und was mich noch mehr beunruhigt, die wollten unbedingt von mir wissen, ob ich diese ermordete Frau kenne, diese Steuerberaterin aus Wiesensteig.”
Mosbrucker, der inzwischen ein paar Meter vorausgegangen war, blieb stehen und drehte sich zu Hilgenrainer um: „Mir ist schon seit gestern Abend klar, dass sich da über manchem was zusammenbraut.”
Der Informatiker stutzte und blieb vor seinem Freund stehen: „Was willst du damit sagen?”
„Dass manchem plötzlich der Arsch auf Grundeis geht, um es mal so zu formulieren.”
Das war ganz und gar nicht Hilgenrainers Sprache. „Ich versteh’ nicht so ganz, was deine Hektik plötzlich soll”, versuchte er beruhigend zu wirken.
Mosbrucker ging einfach an ihm vorbei. „Was die Bullen erst mal im Griff haben, lassen die so schnell nicht wieder los. Die sind aufgescheucht, wie nach einem Stich in ’nen Ameisenhaufen. Mord ist was anderes, als Betrug oder was weiß ich sonst was …”
Mosbrucker hatte jetzt die Brücke über die Göppinger B 10-Umgehungsstraße erreicht und lehnte sich ans Geländer.
Sein Freund kam langsam auf ihn zu. „Du hast sicher Recht”, stimmte er zu, „aber ich hab’ ein ganz anderes Problem.”
Mosbrucker gab sich wieder lässig, drehte sich weg und ging über die Brücke. Auf der B 10 unter ihnen herrschte in beiden Fahrtrichtungen dichter Feierabend-Verkehr. Jetzt, da sie den Wald verlassen hatten, prallte die Sonne gnadenlos auf sie herab. Er ging deshalb bis ans Ende der Brücke, wo er im Schatten des Waldes stehen blieb. „Und welches Problem hast du?”, fragte er, die Hände noch immer an den Latzträgern, und stellte sich seinem Freund geradezu provozierend in den Weg.
„Dich”, sagte der unverblümt und schaute Mosbrucker fest in die Augen, als unter der Brücke mehrere Sattelzüge hindurchdonnerten. Der so Angesprochene ließ seine Latzhosenträger los und drehte den Kopf leicht zur Seite.
„Ich?”, fragte er ungläubig, jedoch mit gewisser Verunsicherung in der Stimme.
„So ist es”, erwiderte Hilgenrainer und setzte seinen Weg in den schattigen Wald hinein fort. Mosbrucker folgte ihm widerwillig. „Vielleicht kannst du mir erklären, was dies soll?”
„Du weißt genau, was ich meine, Günter. Du hast dir den denkbar schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht. Aber dir sind die anderen ja offenbar scheißegal. Es geht dir nur um dich.” Hilgenrainers Stimme begann gefährlich zu zischen. Er sah sich um und vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, dann fuhr er fort: „Hauptsache, du kannst dein Süppchen kochen. Du solltest aufpassen, dass dein Plan nicht gründlich daneben geht.”
Mosbrucker blieb erschrocken stehen: „Um mir das zu sagen, hältst du mich von der Arbeit ab?”
Hilgenrainer drehte sich um: „Wenn du noch mehr hören willst, kannst du das haben. Oder begreifst du eigentlich gar nichts? Bist du wirklich so bescheuert? Was geht in deinem Hirn eigentlich vor? Du bist doch total durchgeknallt.” Er hatte bemerkt, dass er viel zu laut gesprochen hatte.
Rottler war, nachdem er die dunkelblonde Mittdreißigerin mit dem schwingenden weißen Röckchen wieder zu ihrem Mercedes-Cabrio bei den Sportanlagen gebracht hatte, in sein schmuckes Wohnhaus gefahren. Er
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