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Irrgarten Der Liebe

Titel: Irrgarten Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Julius Bierbaum
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lacht.
     
     

Sentimentale Reise
     
1.
    (Paris, 15. u 16. Oktober 1900.)
     
    Oh ja, die Liebe und ein treues Herz,
    Und alles, was wir Seele nennen, ist viel wert.
    Doch davon wollen wir nicht reden, Kind,
    Und wollen keine Fesseln hin und her
    Von Herz zu Herzen binden, und das Wort:
    »Auf immer« spanne seine Fäden nicht
    Von dir zu mir. Uns sei der Tag genug,
    Die stille Stunde, die uns glücklich macht.
    Dann wird, wenn einst auch das vergangen ist,
    Uns keine Lüge die Erinnerung
    Schwarz überschatten, und wir dürfen klar
    Nach Rückwärts schauen ohne Bitternis.
     
    Nicht traurig sein! Noch lange ist nicht Herbst,
    Und auch der Winter hat sein stilles Glück.
    Eisblumen schließen von der Welt uns ab,
    Und herzensinnen rauscht und klingt ein Wald
    Von tausend Vögeln laut: Erinnerung.
     
     
2.
    (Paris, im singhalesischen Theegarten, 15. Oktober 1900.)
     
    Laß! Liege so, die Arme unterm Kopf,
    Daß sich im Atmen deine schöne Brust
    Noch runder hebe, mir entgegen, – so:
    Ich muß die Hand darauf thun. Das ist Glück.
     
    Sei still und schließe auch die Augen, – oh:
    Kein Wort, kein Blick, nur dieses stumme Spiel
    Des Atems, der den schönen Leib bewegt.
    Und als ein stummer Beter, der nicht Worte macht,
    Knie ich in Andacht dir zur Seite hin
    Und bett auf deine Brust mein Haupt. Es ist
    Kein schönrer Fleck, zu träumen, auf der Welt.
     
     
3.
    (Paris, 16. Oktober 1900.)
     
    Du sagst, du liebst mich. Oh, ich danke dir!
    Zwar kenn ich dieses Wort als Lüge nur,
    Doch klingt es süß, wie liebliche Musik,
    Und gerne glaubt man, was so lieblich klingt.
    Ich
will
es glauben, und ich bitte dich:
    Nimm diesen Glauben als Entgegnung an.
    Mir selber will das Wort »Ich liebe dich«
    Nicht mehr vom Herzen auf die Lippen gehn.
    Dem Boden, der von mitleidlosem Fuß
    Zerstampft ward, dem der Bosheit dürre Hand
    Salz in die Furchen streute, wollen Rosen nicht
    Entblühen, – blasse Nesseln bringt er nur.
    So sieht mein Garten aus, – ein Nesselbeet.
    Willst du ihn lieben? Wunder sind geschehn!
    Die Liebe ist die beste Gärtnerin.
     
     
4.
    (Paris, 18. Oktober 1900.)
     
    Des Zweifels müde und von Mißtraun matt
    Sehn ich mich tief nach Glauben, wie der Mann,
    Der schwer den ganzen Tag die Arme rührte, sich
    Nach Ruhe sehnt.
    Doch soll es wohl nicht sein.
    Drum hab ich nur den Augenblick des Glücks,
    Nicht seine Dauer und Beruhigung.
    Und alles Holden Grund ist mir vergällt.
    So will ich an der Oberfläche nur
    Vom Quell des Schönen schöpfen. Griff ich tiefer, ach,
    Es käme wieder Schlamm mir in das Glas.
     
     
5.
    (Paris, 22. Oktober 1900.)
     
    Ich fuhr ins fremde, weite Land; es war
    Ein Fliehn vor mir, vor dir, vor allem, was
    Mich täglich quält und treibt und freudlos macht.
    Ich wollte frei sein und Zuschauer sein,
    Die Hände auf dem Rücken fremd das Fremde sehn.
    Und sieh, ich sehe nur zurück und, ach!
    In mich hinein und quäle mich noch mehr
    Und bin unruhiger, als je ich war.
    Die bunte Welt umrauscht den Sinnenden,
    Der immer nur den Nebelzügen folgt,
    Die innen unaufhörlich hin und her,
    Trübselge Schatten, ziehn, wie im Gebirg
    Die grauen Wolken wandern. Wehe mir!
    In meinem Auge ist nicht mehr das Bild
    Der reichen Welt. Dem Maulwurf ward ich gleich,
    Der nur die engen Gänge sieht, die er durchwühlt.
     
     
6.
    (Zwischen Macon und Pontarevant la Chapelle, 28. Oktober 1900.)
     
    Was wär ich, hätt ich nicht die hohe Kunst
    Des schön gesetzten Wortes und die Kraft,
    Mit einem Strom von Strophen mir den Schmerz
    Und alles Dumpfe aus der Brust zu schwemmen.
     
    Wieviel versäumt ich! Wieviel Früchte ließ
    Ich auf der Lebenstafel unberührt!
    Wieviel versah ich! Wieviel Böses sann
    Mein Herz, und wieviel sündigte die Hand!
    Doch einen schönen Reim zu ründen war
    Ich nie zu träge, und ich frevelte
    Nie bösen Sinnes gegen dich, oh Gut
    Der Güter, das mir in der Wiege lag,
    Als ich der Mutter Wort zum ersten Mal
    Vernahm: Oh deutsche Sprache, allerherrlichste!
    Kein Kind wird einst von mir im Leben stehn,
    Wenn ich ins Nichts zurückgegangen bin
    Und all mein Leben, all mein Schmerz und Lust
    Vorüber und verschwunden wie die Wolke ist,
    Die eben noch, durchglüht von Sonnengold,
    Wie eine ganze Welt voll Licht und Saft
    Am hohen Himmel stand. – Dann wird vielleicht
    Ein kleiner Vers von mir lebendig noch
    In eines deutschen Mädchens Herzen blühn,
    Und
meine
Worte werden voll und warm
    Von ihren Lippen wehen, wie der Duft,
    Der aus dem Innersten der Rose

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