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Irrgarten Der Liebe

Titel: Irrgarten Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Julius Bierbaum
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kommt.
     
     
7.
    (In der Provence, November 1900.)
     
    Hier ritten einst die tapfern Troubadours
    Mit Schwert und Laute ihrer Liebe nach;
    Hier glühte einst das Glück der großen Kunst,
    Die wie die Sonne der Provence schien:
    Ein goldnes Siegeszeichen, ein Juwel,
    Der schönsten Tage schönster Schmuck. Es sprang
    Das Lied gleich einem schönen Pagen froh
    Den Frauen in den Schooß. Doch manchmal wars
    Wie Mistralwind und fegte durch das Land
    Und trieb die Wolken und zertrümmerte,
    Was alt und morsch war. Sieg und Segen trug
    Des Verses Flügel, der schön glänzende,
    Durch diese Lüfte voller Blumenduft,
    Und Liebe lächelte dem Liede zu.
     
    In diesen Liedern war kein müder Ton,
    Und auch die Traurigkeit war stolz und stark,
    Denn adelig war noch die Kunst des Lieds,
    Und wer zu schönen Frauen sich vermaß
    Die Stimme zu erheben und das Herz,
    Der wußte, was sich ziemt. So wußt er auch,
    Daß nicht für Alles Worte ziemlich sind
    Und Schweigen eine edle Kunst der Herzen ist,
    Die eher brechen, als schamlos den Gram
    Der Schwäche zeigen. – Ach, wir reden viel
    Von neuen Tönen und von neuer Kunst,
    Und unsre Herzen sind so jämmerlich,
    Daß uns die Knechte jener Troubadours
    Verachten würden, sähen sie, wie wir
    Schamlos entblößen, was so ekel ist:
    Das Trübe, Dumpfe, Schwache, all die Qual
    Des machtlos ungebändigten, den Satz
    Der Seele voller Krampf und Mißbegier.
     
    Wir wollen fürder nicht so üppig sein
    In großen Worten und Versprechungen
    Von neuen Weisen einer neuen Kunst.
    Wir wollen wieder schweigen lernen, und die Zucht,
    Die Adelsmeisterin, angehn, daß sie
    Wachsam und strenge bei uns sei, wenn wir
    Uns unterfangen, klangvoll Wort an Wort
    Zum Vers zu fügen. Ehrfurcht halte uns
    Im schönen Maße, und die edle Scham,
    Des Künstlers Tugend, walte über uns!
     
     
8.
    (Nymphenburg, Januar 1901.)
     
    Nun ist viel tot in mir. Ich weiß nun, jene Qual
    Die mich ins Fremde trieb und immer rückwärts doch
    Den Blick der Sehnsucht wandte, war nicht mehr
    Als einer Krankheit letzter Ueberfall.
     
    Sieh, auf dem Schnee hier steht ein Sarg, – hinein
    Die leere Puppe jenes faulen Grams!
    Lemuren, kommt, und schaufelt mir ein Grab
    Für diese böse Puppe, – Schnee, Schnee, Schnee
    Darauf und schwere Blöcke Eis. Macht schnell!
    Tief, tief das Grab, in Eis und Schnee tief, tief!
    Ich will nicht wissen, wo der Popanz liegt!
     
    Ah, daß ich frei bin! Wintersonne, sieh,
    Hier steh ich fröhlich zwischen Eis und Schnee,
    Und niemals wußt ich mehr, was Frühling ist.
     
    Ich war ins Grau, ins Neblige verrannt.
    Ich hing am Gram wie in der Spinne Netz
    Die arme Fliege, und schon fuhr auf mich
    Die große Spinne los, die alles frißt,
    Da sprach was über meinem Leben wacht:
    Noch nicht, noch nicht! Und wie im Märchen wars:
    Ich stand verwandelt und erlöst und frei
    Im allerschönsten Schlosse von Kristall.
     
    Oh schöner Winter, kalt und sonnenklar,
    Dein Frost hat mich gesund gemacht und hart.
    Mir ist, als ruhte jetzt in meiner Hand
    Ein wohlgehämmert Schwert. Und ich bin stark,
    Mir alle Wege frei damit zu haun.
    In Niederungen geh ich nun nicht mehr.
     
     

Sub Rosa Veneris
     
    (An Frank Wedekind.)
     
1.
    Die Sonne liegt auf goldenem Kies:
    Der Weg da führt ins Paradies.
     
    Rund, bunt, ein Pfauenrad, das Thor:
    Zwei nackte Evas stehn davor.
     
    Leg Schuh und Kleider in den Sand:
    Geh nackt in das gelobte Land.
     
    Nun lastet kein Gesetz dir schwer:
    Du warst ein Christ, jetzt bist du mehr.
     
    Vier Arme winken dir, geh ein:
    Ein Gott und Heide wirst du sein.
     
     
2.
    Heimlich, auf Diebes-Sohlen,
    Bist du, ein Sklave, geschlichen,
    Der Lust Brosamen zu stehlen;
    Pfui, du hast dich gefürchtet.
     
    Nun gehst du nackt in der Sonne
    Und nimmst dir die Lust als dein Eigen,
    Den runden, goldenen Apfel vom Paradiesesbaume.
     
    Wo ist der Engel mit dem Flammenschwerte?
     
    Küsse die saftige Frucht andächtig, vor du sie issest,
    Küß deine Hand, die sie nahm, und die den Engel vertrieb.
     
     
3.
    Bist du lange blind gewesen,
    Darfst du nun die Schönheit sehn,
    Ganz und gar bist du genesen, –
    Denn du lerntest, nackt zu gehn.
     
    Keine Hüllen, Fesseln, Binden,
    Und zur Sonne hast du Mut,
    Was dich lüstet, wirst du finden;
    Denn du bist dir selber gut.
     
    Bist ein Beter du gewesen,
    Wirst du Gott nun selber sein,
    Ganz und gar bist du genesen:
    Denn du bist nicht mehr gemein.
     
     
4.
    Wenn der Frühling kam, kam dich die Sehnsucht an;
    Du genossest

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